Sonntag, 3. September 2006

Schatten im Sonnenstaat

Kinoplakat Miami Vice

Der Anfang: Ein düsterer Club im Zentrum von Miami, Verdeckte Ermittler quetschen sich zwischen ekstatischen Tänzern hindurch; dröhnender Bass, elektronische Klänge und dazu die Reibeisenstimme von Linkin-Park-Sänger Chester Bennington – und schon ist man mittendrin im Geschehen von Miami Vice, der Kinoadaption des 80er-Jahre Kults.

Colin Farrell und Jamie Foxx spielen die beiden Polizisten James Crockett und Ricardo Tubbs. Sie schleusen sich wegen eines dreifachen Mordes und einer undichten Stelle im Netzwerk des FBI undercover in die Organisation des kolumbianischen Drogenbarons Archangel de Jesus Montoya ein. Während sie Waffen und Drogen transportieren, um das Kartell auszuspionieren, verliebt sich Crockett in Montoyas Frau Isabella (Gong Li).

Mit ungewöhnlicher Kameraperspektive, einem spannenden Plot, mitreißendem Soundtrack und einer Erzählweise abseits des Mainstreams entführt Regisseur Michael Mann den Zuschauer in die Unterwelt Südfloridas.

Großaufnahme heißt die Devise. Mann ist sehr nah am Geschehen, schafft es jedoch, dass der Zuschauer nie den Überblick verliert. Gekonnt spielt der Produzent mit den Erwartungen und dem Vorwissen der Kinobesucher. Die Optik ist durchgestylt, die Schnitte klar und hart – an manchen Stellen wäre hier ein sanfterer Übergang zur nächsten Erzählebene wünschenswert.

Dem Plot hingegen wird Zeit gegeben, sich zu entwickeln. Am Anfang bleibt der Betrachter weitgehend im Dunkeln, die Story wird erst nach und nach klar und unwichtige Details verblassen. Im Film wird nicht wie in anderen Machwerken (als aktuelles Beispiel Fluch der Karibik 2) von einer Actionsequenz zur nächsten gehetzt. Die üblichen Spielereien wie Verfolgungsjagden und gerade Schießereien werden nur sehr sparsam eingesetzt, dem Betrachter bleibt stets genug Zeit, um durchzuatmen. Die Spannung aber reißt nie ab – in dieser Hinsicht ist Miami Vice ein klassischer Thriller.

Wenn es aber mal kracht, dann gewaltig. Ähnlich wie in Heat (Regie: ebenfalls Michael Mann) sind die Schusswechsel sehr realistisch dargestellt. Dies beginnt schon bei der Lautstärke eines Gewehrschusses und hört bei der Wirkung von in Körpern einschlagenden Projektilen auf.

Im Soundtrack tauchen nicht nur neue Songs, sondern auch Coverversionen von bekannten Liedern der 80er Jahre auf. Im neuen Kleid fügen sie sich harmonisch in den Film ein. Um mich war es bereits beim Remix von Nina Simones Sinnerman (nach ca. zwei Minuten) geschehen.

Wer Filme wie Matrix Reloaded oder Fluch der Karibik 2 gerade wegen ihres hohen Tempos schätzt, wird wenig Freude an Miami Vice haben. Wer hingegen Fan des Realismus in Heat oder auch Ronin ist, für den ist auch Miami Vice ein echter Leckerbissen.

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Postbote - 7. Sep, 10:09

Der Soundtrack...

ist in meinem Augen auch das gelungenste Detail des Filmes und nimmt in der Abwehr der Langeweile sicherlich mindestens eine Generalstabs-Stellung ein. Ich war sogar sehr überrascht, dass alte Grunge-Helden wie Chris Cornell (Soundgarden) wieder einmal an zeitgemäßige aber deshalb nicht unbedingt hochwertige Hollywood-Bomben herangelassen werden. Das Geld konnte er vermutlich ganz gut gebrauchen. Linkin Park war hingegen weniger überraschend (der Grund müsste auch allen, die freitag abends gerne mal in populären Diskotheken tanzen gehen, klar sein), auch Moby nicht, vor allem nicht zur emotionalen Untermauerung eines in den endlosen Ozean brausende Speedbootes mit einer Star-schnulzigen Leinwand-Romanze an Bord. Aber vielleicht habe auch nur ich es nicht verstanden und es war eine Werbepause mit anschließendem halbtransparentem sans-serifen Einfliegtext: "Du bist California".

Aber gut, man mag geteilter Meinung sein, ob die Musik passablen Leinwandentertainments mindestens genauso überraschen und interessieren muss wie dessen Handlungsstränge und Spannungsbögen.

Das Besondere an der melodiösen Untermalung von Miami Vice ist zweifellos die Wiedergeburt von Chris Cornell - wenn auch nicht mehr in mit idealistischen Weltfriedenssprüchen verzierte Teeniebuden von Kurt Cobain-Verehrern, sondern in bunt gestrichene Ikeawohnzimmer von Bankangestellten und Versicherungsvertretern. Wichtig ist letztendlich nur, dass es wieder Hoffnung gibt am musikalischen Horizont.

Trau Dich!

Du stehst draußen,

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