Kuechenzeilen

Montag, 18. April 2005

Schichtwechsel im Herzen Frankfurts

Ein Erlebnisessen auf eritreisch

Meine Füße sinken im weichen Sand ein. Im schummrig-gelben Licht der Petroleumlampen erkenne ich Gestalten auf Kissen, die auf dem Boden sitzen. Zwischen ihnen stehen Platten mit Pfannkuchen ähnlichen Fladen, bedeckt mit unterschiedlichen Belägen. Umgeben von grünem Stoff, der aufgebauscht von Decken und Wänden hängt, fühle ich mich wie in einem großen Zelt.

Zwischen all dem Stoff und den sitzenden Leuten entdecken meine Begleiter und ich eine Art kleine Bar. Wir sollen kurz auf die Kollegin warten, wird uns von der Bedienung dahinter mitgeteilt. Die kraushaarige, dunkelhäutige und schlanke Frau wirbelt nur kurz an uns vorbei. Zwar kommen wir zwei Meter im Sand voran, warten dann aber erneut darauf, in den anschließenden kleinen Raum eingelassen zu werden. Dieser ist voll mit niedrigen Bambustischen und Stühlen und noch mehr Menschen. Auch hier ist jeder Platz besetzt.

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Quelle: Postbote; Essen im Sitzen

Endlich weist die Bedienung uns Sitze in mitten der Menge zu. Die Schlange hinter uns bleibt erst einmal bestehen. Der Andrang ist erstaunlich. Schließlich bekommt man nur auf Reservierung einen Platz. „Bis 21 Uhr und ab 21 Uhr werden Bestellungen entgegen genommen“, meinte die Stimme aus dem Telefon, als wir anriefen. Dies ist keine unverständlich scheinende eritreische Wüstenlogik, sondern eine Aussage mit Sinn. Ab 21 Uhr ist Schichtwechsel an den Plätzen. Das enge Zusammensitzen mit unbekannten Menschen wirkt sehr gemütlich und unterstützt gemeinsam mit der einfachen Einrichtung die angenehme Atmosphäre. Insgesamt erinnert alles an ein spartanisches und lebensfrohes Leben in Afrika.

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Quelle: Postbote; Enges Zusammensitzen an Bambustischen

Auch vor uns stehen bald dieselben Platten wie am Eingang und wir tauchen vergnügt kleine Stücke der Fladen in die dazu gereichten Beilagen. Diese werden aus kleinen Töpfchen direkt auf die Fladen geleert. Besteck fehlt überhaupt nicht – aus den abgerissenen Stücken wird zwischen Daumen, Zeige- und Mittelfinger eine kleine Tasche geformt, in die man Kichererbsenbrei, Spinat, Kartoffel-Möhren-Allerlei, Lammstückchen, Linsen oder ähnliches aufnimmt und in den Mund schiebt. Teilweise recht scharf. Deshalb kommt der Salat in der Mitte sehr gelegen. Für zwischendurch stehen auf jedem Tisch Papierservietten bereit. Wer möchte, kann spezielle afrikanische Fruchtsäfte aus Mango oder Guave genießen, ansonsten stehen afrikanische Weine und gewöhnliche Soft-Drinks und Alkohol auf der Karte.

Wer nach der zunächst zu klein wirkenden Portion tatsächlich noch für mehr Kulinarisches zugänglich ist, kann eine Bananencreme oder süßen Couscous mit Rosinen probieren und dazu eritreischen Tee trinken. Dieser schmeckt wie heißes Wasser mit Gewürznelken, aber ganz interessant.

Die Musik passt leider nicht ganz zum afrikanischen Ambiente: von elektronischem Chill out- Sound bis leichtem Techno-Verschnitt bunt gemischt. Und Punkt 21 Uhr steht tatsächlich eine kleine bunte Dose mit Häkelbesatz auf dem Tisch, Innen drin die Rechnung. Die Schlange am Eingang schaut mit vielen neugierigen Augenpaaren auf die noch besetzten Plätze und Überreste auf den Platten. Der sanfte aber bestimmte Rauswurf lässt Afrika vergessen und der Regenguss beim Hinaustreten auf die Straße bringt mich schnell wieder zurück in die deutsche Realität. Nur der angerostete sandfarbene Safariwagen mit Boot auf dem Dach vor dem Eingang erinnert noch an die kleine andere Welt hinter der Tür der Gutleutstraße 13 in Frankfurt am Main – im Herzen Afrikas.

Trau Dich!

Du stehst draußen,

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