Freitag, 4. März 2005

Kambodscha ist arm

Ich bin der Armut hier nicht zum ersten Mal begegnet, aber so wie in Kambodscha habe ich es noch nicht gesehen. Und Kambodscha ist dunkel.

polpot
Quelle: Postbote; Relief der Khmer Rouge in Pnom Penh

Nachdem die Roten Khmer 1975 unter Pol Pot das Land eroberten und die vier Jahre ihrer Herrschaft nutzten um bis zu 2 Millionen Menschen zu ermorden und das Land wirtschaftlich zurück in die Steinzeit zu befördern, liegt die Infrastruktur Kambodschas auch heute noch am Boden. Auf dem Land gibt es nur selten Strom und Wasser. Befestigte Strassen sind rar. Nachts liegen die Dörfer der Reisbauern im Dunkeln.

Es ist wohl die Armut, die von dieser Dunkelheit geschützt, eines der widerwärtigsten Gewerbe überhaupt hervorgebracht hat: Kinderprostitution. Natürlich habe ich schon vorher gewusst, dass es dieses schmutzige Geschäft in Südostasien gibt. Über den Strassen hängen große Spruchbänder, die potentielle Kinderschänder abschrecken sollen: " Abuse a child in this country, go to prison in yours."
Nie aber hätte ich gedacht, dass ich so plötzlich und unmittelbar damit konfrontiert werden würde.

cambodia_child
Quelle: Postbote

Es war eine Kleinstadt irgendwo in Kambodscha (den Namen nenne ich hier nicht, um Pädophilen keine Reisetipps zu geben).
Ich saß mit einem kürzlich kennen gelernten englischen Kaufmann selben Alters auf ein Bier in einer kambodschanischen Diskothek. Um ein Uhr nachts ging plötzlich das Licht an und das einheimische Publikum ergriff die Flucht. Die lokale Polizei ist nicht gerade zimperlich bei der Durchsetzung der Sperrstunde. Als Touristen hatten wir aber nichts zu befürchten.

Wo denn noch was los sei, fragte der Engländer einen der Taxifahrer. Die Antwort blieb er uns schuldig. Dennoch fuhr er uns an den unbeleuchteten Rand der Stadt. In einem Hinterhof, nicht unüblich für Kambodscha, eine Bar. Wir bestellten Bier und ließen uns auf einem der an der entlang der Wand aufgestellten, schäbigen Sofas nieder. Neben mir saß ein weiterer Mann, allein. Tief im Gespräch mit meinem Bekannten, bemerkte ich erst nach einigen Minuten die Kinder gegenüber. Ebenfalls auf Sofas, nach ihrem Alter geordnet wie Orgelpfeifen. Acht bis zehn Kinder. Die meisten Mädchen, aber auch einige Jungen. Die Jüngste ganz rechts, höchstens zehn Jahre alt. Die Älteste ganz links gerade 17, so versicherte der Mann, der die Getränke brachte. "So spät noch auf“, dachte ich zuerst. Einen Wimpernschlag später begriff ich. Ich klärte den Engländer auf und drängte zum Aufbruch. Dann fiel mir jedoch der andere Mann ein und ich sprach ihn an. Ob er wisse wo er hier sei. Keine Antwort. Er wusste es. Deswegen war er ja hier. Ich bat ihn mit uns diesen Ort zu verlassen. Kopfschütteln. Betteln, das Angebot die Getränke in einer anderen Bar zu spendieren. Kopfschütteln. Dann packte mich der Zorn. Die Kinder, wahrscheinlich längst an ihr Schicksal gewöhnt sahen mich verständnislos an, während ich mich, mitten im Raum stehend, in Beschimpfungen erging, die selbst mein ärgster Feind nie gehört hatte. Der Mann wendete sich ab. "I do what I want“, quittierte er meine Hasstiraden. Der Engländer, mit dem ich gekommen war, betrachtete die Szene mit glasigem Blick, vom Alkohol emotionslos gemacht. Der Betreiber der Bar hielt sich zurück, eher aus Angst vor der Polizei, als vor mir. Ich drohte mit körperlicher Gewalt. Endlich reagierte der Mann, versuchte sich zu rechtfertigen, stand aber nicht auf. Ich ergriff das letzte Mittel und beförderte ihn nach draußen.
Mir ist bewusst, dass wahrscheinlich noch in derselben Nacht einige dieser Teufel ihren Perversionen freien Lauf gelassen haben. Der, den ich dort angetroffen habe jedoch nicht. Und er wird es auch in den nächsten Tagen nicht getan haben, dafür habe ich ihm zu deutlich "ins Gewissen geredet".
Sicher, ein Tropfen auf den heißen Stein.

Was können wir aber tun um auch die Kinder in den ärmsten Ländern dieser Erde vor Pädophilen zu schützen? Wer auf eine Kinokarte oder ein Glas Bier verzichten kann und helfen will, ohne wie ich handgreiflich werden zu müssen, findet hier Informationen: www.unicef.org. Dankeschön.

Autor: M. Purkhart

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Postbote - 4. Mär, 12:10

Respekt

Es ist bestürzend so etwas zu lesen. Ein Gefühl der Hilflosigkeit macht sich breit und umklammert mit eiserner Hand die Brust. Vor wenigen Monaten hatte ich ähnliche Dinge in Kambodscha gesehen und seither nie wieder vergessen. Das Land über Jahrzehnte gebeutelt von blutigen Kriegen und Unterdrückung - die Bevölkerung geht unter in dem Gefühl der Lethargie und der Machtlosigkeit gegenüber der Grausamkeit des Schicksals. Schicksal? Wer bestimmt das Schicksal? Viele der Khmer behaupten, es sei das Karma. Sie hätten im vorigen Leben schlechtes getan.

Man kann etwas dagegen tun. Doch nur schrittweise und in unglaublicher Langsamkeit führen Bestrebungen zu Veränderungen. Deshalb aufgeben? Niemals! Viele - zu viele - schließen die Augen oder drehen sich weg.

Ich habe unglaublich großen Respekt - ein passenderes Wort fällt mir einfach nicht ein - davor, wie Du in dieser Bar reagiert hast, wie Du nicht locker gelassen hast und letztendlich nicht einmal vor der Androhung der reinen Gewalt zurückschrecktest. Ich weiß nicht, ob ich jemals dazu in der Lage wäre - unabhängig von der enthemmenden Wirkung des Alkohols.

creature - 4. Mär, 12:29

"i do what i want", arg, diese aussage, absolut kein unrechtsbewußtsein zu besitzen und sich das recht zu nehmen sich an kindern zu vergehen!
TheJinx - 4. Mär, 12:32

Das Problem sind wir, also nicht wir persönlich, sondern die Konsumhaltung, mit der die sogenannte "erste" Welt der sogenannten "dritten" begegnet. Das durchzieht alle Bereiche, vom Einkauf billigster Rohstoffe oder durch Sklaven- oder Kinderarbeit hergestellter Waren, über den Müllexport, der billiger als eine vernünftige Entsorgung oder gar Recycling ist bis zur Problematik Kinderprostitution.
Solange sich das Bewußtsein auf unserer Seite nicht ändert, wird sich die Situation dort auch nicht ändern. Und der dritten Welt helfen nachhaltig keine Spenden, sondern nur Gerechtigkeit.

Postbote - 4. Mär, 13:12

Die Menschen und ihre Eigenarten

Das Problem in eigenen Reihen zu suchen finde ich mehr als richtig. Doch ich würde nicht alles auf unsere Konsumhaltung schieben. Kambodscha wurde schon Jahrzehnte vor dem Einzug des großen konsums in unseren Breitengraden wirklich auf das übelste gebeutelt (vergleichbar auch andere Regionen der dritten Welt). Ich denke, dass vielmehr das Problem der Menschlichkeit hier überwiegt. Es ist nur eine andere Welt - es könnte genau so gut auf einem anderen Planeten sein - und deshalb tangiert es uns nicht mehr als periphär, wenn dort die Kinder mißbraucht werden. Und was wir Menschen nicht am eigenen Körper erleben oder uns in unserem Alltag nicht beeinflusst, schieben wir weg, wollen besser nichts wissen. Das geht so lange gut, bis die Medien mal eben wieder ihr Spotlight auf die "schlimmen Regionen" und deren Missstände werfen. Unglücklicherweise geschieht dies viel zu oft zu Schlafenszeiten oder auf Programmen, die der Durchschnitt schnell über-zappt. Der Tsunami - ja - der war schon wirklich schlimm, denn wir waren betroffen - und Betroffenheit wurde auch in Form überdimensionaler Spendenaufrufe und -zahlungen geäußert. Das schlechte Gewissen lässt grüßen - vor allem an Weihnachten. Das Ausmaß der Katastrophe wurde meist an der Berichterstattung der Medien gemessen.

Nein, ich möchte nicht unsere Konsumwelt alleine dafür verantwortlich machen, denn ich will meine Ohnmacht nicht einfach so hinnehmen. Wir haben immer die Möglichkeit mit zu machen, oder eben nicht mit zu machen. Es sind wir Menschen, die handeln, oder eben nicht handeln. Der westliche Konsum ist hierbei trotzdem sicher ein guter Komplize.

Trau Dich!

Du stehst draußen,

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