Donnerstag, 24. März 2005

Ein Surfer würde es "stoked" nennen...

...angesteckt, abhängig, süchtig vom überwältigenden Gefühl des Glücks, dem perfekten Moment, dem perfekten Platz, der vollkommenen Zufriedenheit.

Zurück im Alltag klammere ich mich an Erinnerungen, Bilder, Assoziationen. Jack Johnson trägt mich zurück ans andere Ende der Welt. Zurück in meinen Campingstuhl. Zurück zum Rauschen des Meeres und den saftigsten grünen Wiesen. Mit der Mouse in der Hand, gleite ich durchs Wasser und geniesse die beeindruckende Szenerie. Wie kurz waren 37 Tage Neuseeland im Vergleich zu 40 Minuten Zugfahren hier in Deutschland?
Begeistert berichte ich von unseren Erlebnissen. Jedes Detail kommt mir erzählenswert vor. Ich könnte stundenlang erzählen.

Doch wie interessant ist das alles für meine Zuhörer? Für wen berichte ich so ausführlich? Vielleicht nur für mich selbst? Auf eine bestimmte Weise bringen mich meine Geschichten wieder zurück. Zurück ins Paradies.

mountcook
Quelle: C.R.+M.W. Der Mount Cook (3776m)

Doch wie wird meine Begeisterung verstanden? Kann jemand das überhaupt nachfühlen, der nicht stoked ist oder jemals stoked war?

Stolz schwärmt die Nachbarin vom tollen Hotel, vom Strand, vom Wetter, vom guten Essen. "Aber wie teuer das alles war..." fügt sie hinzu und erfreut sich am neidischen Blick ihrer Zuhörerin.

Ich will keine neidischen Blicke. Ich möchte meine Begeisterung teilen.
Zeigen, wie wichtig solche Erfahrungen sind, wie prägend. Auch ich habe jahrelang kostbare Zeit vergeudet weil ich es einfach nicht besser wusste, dieses Gefühl nicht kannte, nicht stoked war... Ein vollkommender Moment wie in Kaikoura an der Südpazifikküste ist nicht buchbar, nicht bezahlbar - unbezahlbar.

Stoked sein verändert dich. Verändert dein Denken. Was ist wichtig im Leben? Man sieht klarer, viel klarer, während die unvergesslichen Erlebnisse in verschwommen Erinnerungen an einem vorbei ziehen und wieder dieses Gefühl wecken.

Dieses unbeschreibliche Gefühl.

Trackback URL:
https://post.twoday.net/stories/589496/modTrackback

F-punkt-M - 24. Mär, 14:23

Wie kurz waren 37 Tage Neuseeland im Vergleich zu 40 Minuten Zugfahren hier in Deutschland?

Ein großes (und wahres!) Wort darf nicht verloren gehen!

7an - 24. Mär, 14:25

Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, das Bild sei eine Montage.
Toller Beitrag.

pcf - 24. Mär, 19:16

THUMBS UP! fuer den text. du bringst teilweise auf den punkt, was auch in mir gerade abgeht:
ein teil von mir ist in deutschland angekommen, der andere ist noch weit weg in fernen laendern, bei den eindruecken, bei den erfahrungen und - am wichtigsten - bei den menschen dort.

erst in ein paar wochen wird auch der zweite teil in deutschland ankommen und in den alltag eintauchen. die erinnerungen werden verblassen. diese gewissheit nervt jetzt schon.

doch ein kleiner teil in mir wird immer dort bleiben und auf mich wirken. und jedes mal, wenn ich mir meine aufschriebe durchlesen, mir meine bilder anschauen werde, werden die erinnerungen farbig, detailreich und lebendig.

tam biet

ps: was heisst denn ueberhaupt "stoked"?

mrpink - 25. Mär, 09:01

was heisst denn ueberhaupt "stoked"?

..angesteckt, abhängig, süchtig vom überwältigenden Gefühl des Glücks, dem perfekten Moment, dem perfekten Platz, der vollkommenen Zufriedenheit.
Aber ehrlich gesagt, ist das nur einen Versuch das Wort zu beschreiben. Es ist mehr ein Gefühl, dass bei jedem unterschiedlich ist. Da es im Grunde ein Ausdruck aus der Surfer-Sprache ist, solltest du einen solchen kontaktieren, um die genau Bedeutung heraus zu finden... Lg
Postbote - 25. Mär, 11:09

Al Jawela - der Wanderer

Ich denke, du sprichst jedem "Reisenden" aus der Seele, der irgendwann von seinem Trip zurückkommt, der versucht im deutschen Alltag wieder Fuss zu fassen und doch seine Leichtigkeit nicht aufgeben will. Ich habe nach irgendeiner Ankunft mal das Gedicht "Heimat" geschrieben, welches für mich meine Zerrisenheit zwischen den Welten spiegelte.
(siehe: http://post.twoday.net/stories/539548 )

Es ist ein großes Gefühl, es ist ein echtes Gefühl, es ist besonders ein unvergleichliches Gefühl, das es sich zu bewahren lohnt. Und doch schwebt immer ein Schatten von Melancholie mit in den Gedanken, der einem sagen will, dass es bald nicht mehr so einfach sein wird aufzubrechen, dem Leistungsdruck in unserer Ellbogen-Gesellschaft mit einem Lächeln auf den Lippen den Rücken zu kehren, um wieder zum "Reisenden", zum "Traveler", zum Wanderer zu werden.

Es ist sicherlich immer wieder ein Stückchen Freiheit, das man sucht, das man findet und das man sich im Herzen zu bewahren versucht. Ich wünsche dir, dass das möglichst lange der Fall sein wird.

@pcf: Anh di dau ve?

mrpink - 26. Mär, 10:55

Ich wünsche dir, dass das möglichst lange der Fall sein wird...

Vielleicht ist das auch einfach eine deutsche "Tugend" es sich schwer zu machen und nicht einfach das zu tun was einem gefällt und was das Leben lebenswert macht. Es ist immer einfach zu sagen "das geht halt nicht"... irgendwie geht es immer!
Und im Grunde bist du, genau wie ich, so ein Typ Mensch, der es irgendwie immer schafft.

Also JUST DO IT... die Probleme lösen wir später... Gibt es überhaupt Probleme?
pcf - 28. Mär, 20:44

@postbote: nirgends! ich sitze nur im park zwischen pham ngu lao und le lai :) dort rede ich mit wildfremden jugendlichen englisch und wehre stundenlang die angebote der motorbike-driver ab...

Trau Dich!

Du stehst draußen,

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