Freitag, 1. April 2005

Eine Biografie des Sozialismus

kishon1 In seinem satirischen Werk „Undank ist der Welten Lohn“ schildert Ephraim Kishon zunächst die Auswüchse des Kommunismus in der ehemaligen Sowjetunion unter denen er als Jude und gebürtiger Ungarn direkt zu leiden hatte. Er nimmt den Leser mit auf Ausflüge zu den Anfängen der Lehre des Kommunismus, berichtet vom Leben unter einem sozialistischen Regime und erzählt von seiner Flucht nach Israel und Italien.
Weiter geht es über Stalin, Beria, Breschnew und wie sie alle heißen bis zum Fall der Sowjetunion und über sozialistische Parteien in den westlichen Industrieländern.

Immer wieder lässt der frühere Journalist Berichte ins Buch einfließen, welche er zur Zeit der entsprechenden Geschehnisse verfasst hat. Durch diese Erzählform wirkt das Buch ungemein authentisch und der Leser nahe am Geschehen.

Noch nie zuvor hatte ich ein Buch in Händen bei dessen Lektüre ich so zwischen Schaudern und Lachen hin- und hergerissen war. Schaudern über die eindringlich geschilderten Enthüllungen der Realität und Lachen über Kishons Wortwitz, seine übertriebenen Anspielungen und Interpretationen der Sachverhalte.

Kishon offenbart seine Kreativität und Erzählfertigkeit im Großen wie im Kleinen. Zu Stalins Tod hat er beispielsweise zu vermelden, dass er zu „seinem Schöpfer hinabgerufen“ wurde, historische Ereignisse lässt er von Figuren wie etwa „Titos Frau“ kommentieren und er berichtet von Gesprächen, die sich kurz vor dem Sturz Breschnews so oder ähnlich im Hauptquartier des amerikanischen CIA zugetragen haben könnten.

Für historisch Interessierte, die feinen Humor zu schätzen wissen und ein Buch aufmerksam zu lesen imstande sind, ist Kishons Werk uneingeschränkt zu empfehlen.

Bild: F-punkt-M

Donnerstag, 31. März 2005

Sanami, das mit dem großen Wasser

Fünf Minuten O-Ton eines Gesprächs zwischen drei deutschen Jugendlichen auf der Zugfahrt von Altheim nach Babenhausen.

Der mit der Kappe: Sanami, Alder, weißt du.
Der Schwarzhaarige: Was willst du?
Der mit der Kappe: Sanami, bist du blöd? Das mit dem großen Wasser.
Der Kleine: Tsunami?
Der mit der Kappe: Ja, bin ich ein scheiß Asiate oder was?
Der Schwarhaarige: Mann bist du blöd.
Der mit der Kappe: Leck mich am Sack du Penner!
Der Kleine: War eh alles Fake. Ich sag dir, Alder, haben die alles mit dem Computer gemacht, dass die Geld kriegen.
Der mit der Kappe: Was wollen die eigentlich, die haben doch Wasser gebraucht in Asiaten. Jetzt haben die Wasser und beschweren sich.
Der Schwarzhaarige: Voll die Abzocker, Alder.

Der Kleine holt sein Handy raus.

Der Kleine: Ey. Holst du mich jetzt? Pause. Bis gleich. Legt auf. Ich lauf doch jetzt net Alder. Soll die mich schön holen die Fotze.
Der mit der Kappe: Wozu sind Mütter sonst da?
Der Kleine: Genau, Alder, du weisst was geht.

Endstation Babenhausen. Die drei steigen aus.

Mir fehlen die Worte.

Montag, 28. März 2005

Amerika vs. "old Europe"?

Jeder hat schon einmal verrückte Geschichten über die Vereinigten Staaten von Amerika gehört. In einigen Staaten soll in Biologie nicht die Evolutionslehre, sondern die biblische Schöpfungsgeschichte gelehrt werden, in den Augen von manch unbedarftem Amerikaner liegt der Irak irgendwo in Europa, denn "da haben wir auch den letzten Krieg geführt" und einige deutsche Touristen wollen gar schon gefragt worden sein, ob es denn nun stimme, dass Hitler immer noch Deutschland regiere.
So könnte es stundenlang weiter gehen, denn diese Geschichten erfreuen sich in einem Deutschland, in dem Antiamerikanismus immer mehr in Mode kommt, zunehmender Beliebtheit.

Ich kann dazu nicht viel Konstruktives beitragen (diese Erzählungen also weder dementieren noch bestätigen), da ich selbst noch nie in der "neuen Welt" weilte und meine wenigen Kontakte mit Amerikanern sich bisher auf überdurchschnittlich gebildete Menschen auf Europareise beschränkten.

Was mich jedoch dazu gebracht hat, ein wenig mehr über diese Thematik nachzudenken, war der Kontakt mit einem Amerikaner aus Connecticut von dem ich über die Plattform Ebay etwas erworben habe:
In der Liste der möglichen Ziele des Postversandes war neben Australien, Nord- und Südamerika auch Europa aufgeführt. Nach der erfolgreich abgeschlossenen Versteigerung wandte ich mich an den Verkäufer mit der Frage, wieviel ich denn für den Versand des Artikels nach Deutschland genau zu bezahlen hätte.
Seine Antwort begann mit folgender Aussage:
"Thank you for winning the auction.
In the auction I did specify which countries I would ship to, and Germany was not one of them. I believe it says Americas, Europe & Australia."

Unter Berücksichtigung dieser Aussage erhält die kürzlich aufgestellte Behauptung eines türkischen Unternehmers, das zu geringe Bildungsniveau sei momentan das größte Problem der Türkei bei der Demokratisierung des Landes und der Eingliederung in Europa, eine ganz neue, erschreckende Dimension.

Jedoch muss man dem netten Amerikaner Zugute halten, dass er in seiner Nachricht wie folgt verblieb: "I will however, make the exception and ship to you anyways - just be sure to check that next time you bid on something because some sellers will get very upset."

Sonntag, 27. März 2005

Der Germanist im Busfahrerpelz

Ich wäre nicht auf die Idee gekommen, über dieses Erlebnis zu schreiben, aber ein Freund überzeugte mich doch vom Gegenteil.

Als ich letzte Woche nach einer Geburtstagsfeier - auf die ich mit meiner Stimmung nicht richtig passte - angetrunken mit einem Bier in der Hand in den letzten Bus nach Hause steigen wollte, meinte der Busfahrer: "Mit dem Bier nehme ich Dich nicht mit!" Ich überflog kurz den Inhalt des Busses und merkte bald, dass ich der einzige Gast sein würde. Deshalb begann ich ihn mit Argumenten wie, "hör mal, ich komme von einer Geburtstagfeier und würde gerne noch mein Bier austrinken.." oder "ich passe auch auf, dass ich nichts verschütte.." vom Gegenteil zu überzeugen. Zu meinem Erstaunen willigte er mit den Worten: "Wenn Du was verschüttest, putzt DU den Bus." ein.

Ich schwang mich in das Fahrzeug und suchte mir aus Gewohnheit einen Platz im hinteren Drittel des Busses. Als wir einige Meter gefahren waren, rief mir der Fahrer von vorne für mich unverständliche Worte zu. Kurzerhand erhob ich mich und fand mich bald an seiner Seite sitzend vorne auf dem ersten Platz. Er steckte sich eine Zigarette an und ich forderte verwundert, dass ich dann ja auch eine rauchen könne. Auch in diesem Punkt nickte er zustimmend. So saßen wir bald rauchend - ich Bier trinkend - nebeneinander. Bald entfachte ein Gespräch über Gott, das Leben, die Philosphie des Seins, unsere unterschiedliche Nationalität und die Ziele, Hoffnung und Pläne, die ein junger Mensch im heutigen Deutschland haben kann. Anfangs vielleicht noch mit einem Körnchen Arroganz auf seine Position als Busfahrer blickend, drehte sich mein Standpunkt während unseres Gespräches um 180 Grad: Er studierte Germanistik, vor zwölf Jahren. Dann brauchte er einen Job, Geld. Er sagte: "Man müsse flexibel sein, immer das Leben, wie es kommt!" Deshalb wurde er vor zwölf Jahren zum Angestellten der regionalen Beförderungsfirma. Ob er denn keine neuen Ziele habe oder von einem anderen Leben träume? "So jung bin ich nicht mehr, es ist alles nicht so einfach. Es macht mich glücklich, wenn ich meine Ruhe habe!" Er sprach diese Worte mit einem bitteren Beigeschmack von Resignation und Unzufriedenheit, bestritt dies aber beim Nachfragen. "Ich solle mein Leben noch genießen, solange ich jung bin."

Es war ein netter Kerl. Er fragte mich sogar, wo ich denn hin müsse und ob er mich mit dem Bus noch ein Stückchen mit in die Richtung meiner Wohnung nehmen solle.

Als ich mit einem winkenden Gruß den Arbeitsplatz meines temporären Gesprächspartners verließ, stieg in mir ein seltsames Gemisch aus Melancholie, Mitgefühl, aber vor allem Angst vor der Zukunft und der Möglichkeit, das mir das Gleiche passieren könnte, herauf. Später lag ich im Bett und dachte immer noch über den Menschen nach, dessen Namen ich nicht einmal kannte. Ich nahm mir vor, dass mir nie so etwas passieren sollte. auch wenn ich flexibel auf das Leben reagiere, will ich nie damit aufhören, das Leben flexibel an mich anzupassen.

Osterliche Bilderwut im Herrengarten

Es ist Ostern - das Fest der Auferstehung. Wie vor gut 2000 Jahren eine der wichtigsten Figuren des Christentums auferstand, so scheint ihm auch die Darmstädter Bevölkerung gleiches tun zu wollen. Doch in einer etwas anderen Weise.

Beim morgentlichen Ostersonntag-Joggen durch die grüne Lunge der Stadt konnte ich beobachten, wie junge und alte Bildjäger geradeso aus dem Boden sprießend knipsen, filmen oder posieren. Dies gilt für Händchen haltende Päarchen oder Eis schleckende Rentner genauso wie für junge Väter hinter ihrem Off-Road-Kinderwagen. Als Motiv hält nahezu alles her, was sich in der nahen Umgebung findet. Mit der Digi-Cam mal eben eine Serie der Knospe am bald blühenden Baum fokussiert, den Partner vor einem wünderschönen leider noch nicht blühenden Dormbusches geknipst oder in einem semi-professionellen Kurzfilm die zarten Gehversuche des geliebten Nachwuchs aufgenommen.

Es schien mir, dass sich beinahe jeder Besucher des Herrengartens an diesem Morgen hinter dem Sucher eines digitalen Gerätes versteckte. Unweigerlich drängt sich mir die Frage auf, was mit diesen Bildern geschehen wird. Wer wird sie sich anschauen, wer wird sich anhand des geschossenen Materials noch an den schönen Frühlingstag erinnern? Und was mich eigentlich in diesem Zusammenhang noch mehr beschäftigt: Ist es das Einzigartige, das Sensationelle und Aufzeichnugswerte, das die Bilderwütigen festzuhalten versuchen oder drücken sie gar aus purer Langeweile auf den Auslöser?

Was natürlich an diesem Spektakel reizt, ist die Möglichkeit der Öffentlichkeit sein neu im Elektro-Discounter erworbenes Wunderwerk der Technik vorzuführen. Zeigen, dass man auf der Welle des digitalen Booms mit oben aufschwimmt, die neue Coolpix mit 512 MB-Flashkarte im Anschlag. Ich gehe einfach mal davon aus, dass die Kamera wohl kaum über den Automatik-Mechanismus hinaus genutzt wird. Und wenn dann ein Bild nichts geworden ist, dann wirft man es eben schnell in den Papierkorb. So einfach ist das. Und knipst eben zwanzig neue. Hinterher kann man den Rest ja im mit dem Gerät gelieferten Bildbearbeitungsprogramm modizifieren. Per Auto-Tonwert-Korrektur.

Sicher ist es ein großer Vorteil, dass wir nicht - wie vor einigen Jahren noch - einen Film in die Kamera einlegen müssen und dann meist 36 Schüsse zur Verfügung haben, um das festzuhalten, was uns wichtig, interessant oder schön erscheint. Ich versuche mich zu erinnern, wie viele Menschen ich vor der digitalen Welle nachmittags durch den Park spazieren und alle paar Sekunden auf den Auslöser drücken sah. Ich glaube, da gibt es Unterschiede.

Wenn ich nach einer Bergbesteigung über das Gipfeldach hinwegblicke oder beim Sonnenuntergang an der toskanischen Küste mich dabei bewußt dazu entscheide kein Bild zu schießen, um viel lieber das Szenario in seiner reinen Form zu genießen, dann stellt sich mir die Frage, wie weit der Genuss des osterlichen Nachmittags-Ausfluges in den Herrengarten geht.

Freitag, 25. März 2005

Der kleine E-Mail Knigge

Mit E-Mails ist das so eine Sache.
Auf der einen Seite ungemein praktisch, schnell, informativ.
Auf der anderen Seite unpersönlich, technisch, anonym.
Mit diesem Thema beschäftigt sich der aktuelle Zwiebelfisch.

Wer also Probleme mit dem Verfassen einer aussagekräftigen Betreffzeile und dem Verstehen typischer Internetabkürzungen hat, auch von bunten html-Mails gepeinigt ist oder sich für die Renaissance des Semikolon interessiert sollte sich den entsprechenden Artikel einmal zu Gemüte führen.

Trau Dich!

Du stehst draußen,

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