Prosa

Samstag, 17. Februar 2007

Von falschen Sonntagen, alten Freunden und Stimmen am Telefon

Sie sind einfach wunderbar. Diese Sonntage, die sich bald als Samstage entpuppen. Keine Sekunde bestehen noch Zweifel, dass die Erfindung von Zeit und Raum nur eine große Lüge ist. Die Sonne. Wenn ich es lyrisch ausdrücken wollte, würde ich sagen: sie küsste mich wach. Lieber sage ich: sie weckte mich. Aber eigentlich küsste sie.

Nach zeitlosem Räkeln, Dösen und Träumen wirkt der Gang aufs Sofa im benachbarten Wohnzimmer als würde man von einer Wolke auf die andere springen. Nein, nicht springen. Gleiten. Und der Fernseher gleitet auch an, der rosarote Panther will ein gemaltes Bild im Museum verkaufen. Wunderbar. Perfekt. Hoffentlich schafft er es. Die Sonne wirft in der Form des Fensterrahmens einen langen, warmen, goldenen, leuchtenden Strahl auf den Boden. Alles ist leicht. Es darf sich nur nicht der Fehler einschleichen, dass das Stern TV -Logo auf der Mattscheibe erscheint und viele deutsche Männer in ihrem Dubai-Leben Kokos-Cocktails trinken, Wüstenralley fahren, Polo spielen. Das könnte kontraproduktiv wirken. Das Esbjörn Svensson Trio und ihre zweitjüngste Platte viaticum hingegen nicht. Ich glaube sie haben an genau so einem Morgen mit Klavier, Gitarre und Drum Set auf meinem Sofa gesessen und einfach genau das, was sie sahen nicht mit Worten, sondern mit Tönen beschrieben. Irgendwann. Irgendwo. Wahrscheinlich war es nur eine Person. Sie konnte natürlich alle Instrumente gleichzeitig spielen.

Ich vermute, dass es eine Zeit gab, in der ich noch so einige Dinge zu erledigen hatte. Irgendwann. Irgendwo. Der Blick auf einen unaufgeräumten Schreibtisch verrät mir das. Irgendwann hat auch eine sehr vertraute Stimme angerufen und gesagt, dass der Mensch hinter der Stimme sein Studium abbrechen wird. Einfach so. Die Stimme hat keinen Bock mehr. Der Mensch dahinter geht für ein Hilfprojekt nach Indien. Hat er sich überlegt, mein alter Freund. Und dann will er vielleicht, nein eigentlich ganz sicher, eine Lehre machen. Irgendeine. Irgendwo. Irgendwann. Da hat er Bock drauf. Was sagt man dazu? Nicht viel. Vielleicht "viel Glück" oder "wow, krasse Entscheidung". Oder man fragt "Echt?" oder "Bist du dir sicher?". Natürlich ist er sich sicher, sonst würde er es nicht behaupten.

Was ich denke, sage ich erst einmal nicht. Ich schreibe es viel lieber auf: Der alte Freund imponiert mir noch mehr als das Esbjörn Svensson Dreigespann. Er kennt die drei ja auch nicht. Er hört lieber tibetische Alphörner und Eunuchenchoräle. Vielleicht summen die auch nur an solchen Morgenden. Aber das ist ja egal. Was nicht egal ist: Der alte Freund macht endlich mal das, was wir alle viel öfter machen sollte. Er ist trotzig. Je älter er wird, desto geringer sind seine Aussichten auf eine Lehrstelle. Je länger er studierte, desto mehr Barfög muss er zurückzahlen. Bricht er sein Studium jetzt ab, fehlen ihm noch zwei Klausuren bis zum Vordiplom, dann hätte er was in der Hand. Die Lücke im Lebenslauf zwischen Studium und indischem Hilfsprojekt lässt sich vermutlich nicht leicht schließen. Aber: Er hat keinen Bock. So einfach ist das. Wieso sollte er sich auch von uns daher gelaufenen Leistungsgeiern erzählen lassen, worauf er Bock zu haben hat?

Ich kann mir das gut vorstellen. Irgendwann hat mir eine andere, verärgerte Stimme am Telefon gesagt, dass sie etwas scheiße findet, was ich nicht gemacht habe. Und dass sie es viel lieber gesehen hätte, wenn ich etwas gemacht hätte. Die Entscheidung über das Etwas lag aber gar nicht in ihrem Aufgabenbereich. Deshalb fand ich das auch nicht gut. Aber trotzig war ich nicht. Ich habe es einfach nicht gemacht. Ich hatte keinen Bock.

Plötzlich erinnere mich an eine Pasta-Bar, eine dünne Frau mir gegenüber mit rotbloden Haaren und rotlackierten Fingernägeln und daran, wie ich diese Geschichte erzähle. Die Frau sagt: Das hast du richtig gemacht. Man muss sich selber treu bleiben. Man muss mit sich selbst ins Reine kommen. Man sollte sich von anderen nicht dirigieren lassen. Sie trinkt Rotwein. Als mein alter Freund mich anrief, habe ich keinen Rotwein getrunken. Ich sagte so etwas nicht.

An die Geschichte möchte ich aber nicht mehr denken, viel lieber an die Sonne. Oder an eine andere Stimme, die mir am Telefon sagte, sie habe herausgefunden, worum es hier in unserer Welt wirklich geht. Das ist natürlich eine feine Sache. Leider verrät sie mir das Geheimnis nicht, ich höre die Stimme ja auch zum ersten Mal. Aber sie verrät mir, dass jeder Mensch auf dieser Welt eine Lebensaufgabe hat. Er auch, und ich auch. Und du auch. Und so weiter.

Meine Lebensaufgabe ist wohl auf dem Sofa zu schweben und dem rosaroten Panther beim Rausschmiss aus dem Museum zuzusehen. Endlos.

Dann verstummen plötzlich die schwedische Gitarre, das Klavier. Der rosarote Panther wurde von einem Suppen-Werbespot vertrieben, die Tasse ist leer, der Magen knurrt, oh mein Gott, die Uhr zeigt schon den frühen Nachmittag an. Haben die Geschäfte noch auf? Ich muss noch auf die Bank. Wollte ich nicht noch was arbeiten? Mir fällt eine Diplomarbeit, ein halbfertiges Layout, der versprochene Großputz und der leere Kühlschrank ein. Stern TV-ist auch vorbei. Ich sollte nun wirklich mal in die Gänge kommen. Dann erinnere ich mich an meinen Freund und begreife etwas wichtiges: Heute Nachmittag werde ich spazieren gehen. Irgendwo. Irgendwann.

Dienstag, 28. März 2006

They called her Mimi

- Gillian Alexander -

They called her Mimi

She was a cat of circumstances

Beautiful she was, she had no home

They took her in.


Her elegance was outstanding

And her grace pleased those around her

She had a grey coat, razor sharp eyes

And purred when rubbed, with such delight


She drank milk that was warmed

As a midnight treat before bed

And her cry was impossible to ignore

She was no hassle


She sat in a corner, gently stroking her legs

With her tongue, each corner barely missing

She was of such content

Her days well spent.


Honour and respect to GRALEXANDER, a young South African author; her first book will be published this year in Pensylvania

Freitag, 17. März 2006

Vergangenes

Die Vergangenheit holt mich ein,
als hätt' ich es gewusst,
vorbei der Trug und Schein.

Ich glaubte mich geborgen,
hab' alles schön verdrängt,
vor zukünftigen Sorgen.

Ein kleiner Wink,
ja, ein Lebenszeichen nur,
bricht alles nun entzwei.

Ich glaubte mich geborgen,
die Seele dennoch litt,
die gerechte Tyrannei?

Ich kann es nicht beschreiben,
noch hängt sehr viel daran,
wird es bald wieder besser?

Mein Glaube das nicht kann.

Dienstag, 29. November 2005

Allein

Was soll ich tun?
Wohin mit mir?

Lang ist’s her, dass ich den Wunsch verspürte, die Ferne zu erkunden
Viele Stunden verbrachte ich damit – doch der Wunsch, er scheint verschwunden

Aus „Vielleicht“, „Hoffentlich“, „Eventuell“
wurde „In ein paar Monaten“, „Bald“, „Demnächst“

nur noch wenige Tage beträgt meine Galgenfrist
die Ungewissheit – vertraut seit ersten Unternehmungen
Mal spür ich sie, mal hält sie sich versteckt

Was soll ich tun?
Wohin mit mir?

Es gibt kein Zurück
Der Wunsch die Ferne zu erkunden – ich spür ihn immer noch.
Ganz tief drin lauert er,
Überfällt mich, wenn’s draußen kalt ist und stürmt,
Wenn von großen Taten ich lese,
Wenn Bilder ferner Gestade ich sehe

Was wird mein Wunsch mich kosten?
Was habe ich ihm schon geopfert?

Die Fähigkeit, jemand in die Arme zu schließen?
Ich weiß es nicht, fühle mich verloren…

Freundschaft? – Nein!
Freunde? – Vielleicht…

Mit wem verbringe ich meine Zeit, wer ist für meine Pläne bereit?
Ist Einsamkeit das Schicksal, welches mich ereilt?

Sonntag, 24. April 2005

Unkontrollierbar

Für Mira...

Ich wache auf und weiß nicht wo ich bin.
Ich greife neben mich und niemand ist da.
Kälte.
Ich will zurück.
Zurück in die Traumwelt, die mir Hoffnung schenkt.
Ich stehe auf und muss nicht leise sein.
Denn Du bist nicht da.
Alles ist fremd.
Mein zu Hause so weit weg.
Ich stehe auf und der Schmerz ist wieder da.
Kälte.
Ich habe keinen Hunger.
Informationen sind nur Ablenkung.
Ich kann nicht klar denken.
Jeder Gedanken kreist um dich.
Ich muss mich ablenken, sie bei Seite schieben.
Aber ich will doch bei Dir sein.
Wieder bei Dir sein.
Doch es tut so weh.
Alles erinnert mich an Dich.
Ich sehe Dich in jedem Detail.
Mein Leben bist Du.
Immer wieder Momente der Hoffnung.
Alles wird wieder gut.
Dann wieder Angst.
Du fehlst mir so.
Ich möchte Dich anrufen.
Mit Dir sprechen.
Deine Nähe spüren.
Dich küssen.
Doch Du bist nicht da.
Keine Nachricht.
Kein Kontakt.
Wo ist Deine Liebe hin?
Ich habe Sie doch gespürt.
Jeden Tag.
Sie kann nicht weg sein.
Kann nicht.
Soll nicht.
Angst.
Ich will Dich zurück.
Ich liebe Dich.
So sehr.
So sehr.

Donnerstag, 24. Februar 2005

Heimat

Zurück in der Heimat, die mir
nahezu unbekannt.
Bin eben derer, die dies ebenso
als ihre Heimat einst ernannt.
Oder nicht?

Und doch bin ich ein Fremder hier,
stoße als Katze in eine hungrige Wolfsfamilie.
Pirsche mich an und schleiche dann,
ehe es einer merken kann,
an die säugende Mutter heran.
Sauge an Mutters nährenden Zitzen,
um dann mit den andern in einer Reihe zu sitzen.

Montag, 21. Februar 2005

Tiefer

Frost legt sich über leuchtende Blüten,
eingefroren all der Glanz,
war aufgefordert Heimliches zu hüten,
statt dessen taumle ich den Tanz.

Gewaltige Wogen scheinen über mir herein zu brechen,
füllen ruhige Luft mit Klang,
ach, könnte ich noch einmal sein,
wo einst alles gerad` begann.

Ist dies der Lauf der Dinge, der,
auf meinen Schultern lastet schwer?
Trifft mich die Schuld für das Gescheh`ne,
oder tat das Schicksal es herbei sehnen?

Ich horche auf die inn`re Stimme,
Stufe um Stufe der Erkenntnis ich erklimme,
wohl wahr, es war wohl so gewollt,
doch wer hat den Stein einst angerollt?

Ich selbst bin Sklave meiner selbst,
in Ketten gelegt dazu gezwungen,
bis jetzt die Freiheit nicht errungen,
wart` hier, bis derjen`ge kommt,
der rettet mich aus tiefem Schlund.

Das Nichts tut vor mir auf den gier`gen Schlund,
geradewegs bin ich entgegen gelaufen,
schwimm immer tiefer auf den Grund,
ringe nach Luft, werd` ich am Nichts ersaufen?

Da! Klar und rein eine Oase,
taucht auf aus dem dunklen Nichts,
füllt schwarzes Meer mit hellem Schein,
hüllt gänzlich warm mein Herze ein,
oh weh, mit einem Male bricht `s,
es war nur eine kurze Phase.

Zerstreut in alle Ecken,
aufgefressen von unheimlicher Macht,
wird es auch mich zudecken,
noch ehe ich mein Werk vollbracht?

Den letzten Splitter Helligkeit,
zu suchen gleich, bin ich bereit,
tauch tiefer in das Ungewisse,
tiefer und tiefer.

Mittwoch, 2. Februar 2005

Das Motiv (Was bleibt?)

„Sind wir nicht alle auf der Suche?“, fragte er und nahm einen kräftigen Schluck aus dem bauchigen Glas, „Sicher, einige gaben irgendwann auf oder haben es nie gelernt, dass man alles erreichen kann, wenn man nur fest genug daran glaubt.“
Er fixierte sein Gegenüber mit gerunzelter Stirn und fragte sich, ob dieser wirklich verstand, was er damit sagen wollte, oder ob er ihn nur für einen dieser Klugscheißer hielt, die all die Sprüche nachfaselten, womit sie vermeintlich in pseudo-intellektuellen Kreisen jemanden beeindrucken konnten.

Sein Gegenüber schwieg und blickte ins Leere. „Ich glaube wir hatten schon recht viel Wein heute Abend“, stieß er dann jedoch hervor. Dem anderen gerade lange genug Zeit gegeben, die Augen verdrehen, eine abfällige Handbewegung machen und den Barkeeper um die Rechnung bitten zu können fügte er noch hinzu, „das gefällt mir, und sagt man nicht im Wein liege die Wahrheit?“ Grinsend bestellte er eine neue Flasche des 98-er Merlot und genoss sichtlich seinen kleinen Triumph.

Dann wurde er wieder ernst. „Ständig ist man mit intelligenten Sätzen, philosophischen Weisheiten und höchst wertvollen Ratschlägen konfrontiert, man muss nur den Deckel einer Muskote- Blättchen- Packung aufschlagen, Coelho lesen, im Schreibwarenladen Postkartenständer durchforsten oder was weiß ich.“
„Ok, er hält mich für einen dieser Klugscheißer“, dachte der andere enttäuscht und befürchtete, dass das Gespräch nun in eine Richtung verlief, die er nicht beabsichtigt hatte.
Er seufzte.
„Und im Grunde macht sich kaum einer bewusst, was es zu bedeuten hat“, fuhr der andere unbeeindruckt fort, „obwohl es gar nicht so schwierig ist“.
„Wie meinen Sie das?“
„Eine Suche wird immer von einer Frage begleitet, oder nicht? Und ist es nicht immer die Frage, was bleibt?“
Dumpf klang der letzte Satz noch einmal im Innern des irritierten Zuhörers nach. Die Frage ist was bleibt.
Der andere ließ nicht locker. „Solange wir suchen, fragen wir, und solange wir fragen, suchen wir. Und am Ende steht immer die Frage. Was suche ich, oder noch besser, was habe ich gefunden?“
„Jedenfalls kann man nur etwas finden, wenn man danach sucht, und schon auf der Suche kann man spüren, ob man erfolgreich sein wird.“
„Eine Suche kann immer nur erfolgreich sein, denn findet man, was man nicht finden wollte, so hat man vielleicht gerade dann das Richtige gefunden.“
Beide hielten einen Moment inne.
„Also ist der Weg das Ziel?“
„Nicht ganz. Oder nicht nur. Hat man kein klares Ziel vor Augen, so weiß man auch nicht, wo man mit der Suche beginnen soll.“
„Aber Ziele verändern sich.“
„Das ist auch gut so, und deshalb wird die Suche auch nie beendet sein, und was bleibt ist die Frage.“

Trau Dich!

Du stehst draußen,

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