Samstag, 17. September 2005

Eine Republik im Zeichen der Wahl

Nachdem ich nun eine Woche durchs Land gereist bin (und mich die übergroßen Gesichter der Direktkandidaten von fünf verschiedenen Parteien in über einem Dutzend verschiedenen Wahlkreisen angegrinst haben) stellt sich mir die Frage: Was bleibt?

Wahlplakate an einer großen Kreuzung
Manche Kreuzungen quellen vor Wahlwerbung über; Quelle: F-punkt-M

An was erinnere ich mich noch aus den letzten Tagen des Wahlkampfes?
Ich erinnere mich an einen Gerhard Schröder, der zum Abschluss des Fernsehduells die wichtigsten Punkte seines Wahlprogramms souverän und gelassen vorträgt. Ich erinnere mich an die ungenügend abgeschminkten tiefen Augenringe von Angela Merkel von vor drei Tagen und dass der CSU Ortsverband in meinem Heimatdorf clevererweise leuchtend rote Sonnenschirme um den eigenen Wahlkampfstand aufgestellt hat.

Alles andere - all die Fernsehauftritte, die Interviews, die vielen Plakate, die Radiosendungen - all das ist zu einer klebrigen Masse in meinem Unterbewusstsein zusammengebacken. Übersättigt von zuviel Input hat mein Bewusstsein irgendwann abgeblockt - information overflow.

Viele Leute sind offensichtlich unentschlossen, wen sie wählen sollen. Bei mir selbst läuft diese Entscheidung eher nach dem Ausschlussverfahren, folgt also der Frage: Wen will ich nicht wählen?

Selten waren mir Fakten bei einer Entscheidung so unwichtig wie bei dieser. Und vielen anderen geht es scheinbar ebenso.
Wahlkampfgegner, die kaum mehr zu sagen haben als das Programm ihrer Kontrahenten schlecht zu machen, Durchhalteparolen bei schlechten Umfrageergebnissen und vielzitierte Aussagen von Wahlforschern, dass sich "in den letzten Tagen noch alles ändern kann".

Und wenn sich an der Zusammensetzung der Regierung etwas ändert: Wer weiß schon, welche Auswirkungen auf unsere Gesellschaft noch in den Reformen der rot-grünen Regierung fußen und was vom neuen Parlament geschafft wurde?

Was bleibt also? Die alte Anarchistenweisheit: Wenn Wahlen etwas verändern würden, wären sie schon längst verboten. ;o)

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Trackbacks zu diesem Beitrag

jan.twoday.net - 23. Sep, 12:08

Wer w

Mittlerweile glaube ich, es gibt... [weiter]
7an - 19. Sep, 15:27

Schwarz-gelb haette einmal richtig durchregieren koennen. Aber ein grosser Teil des deutschen Volkes sehnt sich eben nach Nestwaerme. Ist ja auch besser, wenn fuer alle eine miserable Grundversorgung gewaehrleistet ist, als wenn jeder, der Elan hat, im Beruf erfolgreich sein kann. Soziale Kaelte. Tz. Davon reden doch nur welche, die sich lethargisch auf Staatskosten ausruhen wollen. Die Menschen sind nicht gleich und werden es nie sein, daher ist eine Regierung, die darauf Ruecksicht nimmt von vornherein zum Scheitern verurteilt. Und dieser Gedanke muendet wohlgemerkt nicht in einer Zweiklassen-Gesellschaft.

Postbote - 20. Sep, 11:16

Tiefe Einblicke...

scheinst Du ja in diesem Punkt noch nicht gehabt zu haben...jede Menge Designer, Architekten oder andere studierte Menschen haben kaum die Gelegenheit ihre Fähigkeiten überhaupt zu beweisen und zählen ebenfalls zur Statistik der Arbeitslosen. Und auch die nicht studierten Menschen in Deutschland hängen nicht alle gerne 24h auf der Couch rum, trinken Bier und (fr)essen Chips. Sicherlich vergünstigt ein funktionierendes Sozialsystem mit einer Mindestversorgung die Faulsten der Faulen. (Das ist aber bei einer Bürgerrente - wie z.B. in Luxemburg - nichts anderes und dort durchausd legitim) Dagegen eine Lösung zu finden finde ich gut und richtig, aber gleichzeitig behaupte ich mit nicht wenig Stolz, dass kein einziger mensch in Deutschland an Hunger leiden, kein Dach über den Kopf haben muss oder keine medizinische Versorgung bekommt (vgl. ander demokratische Staaten). Nicht umsonst ist unser Sozialsystem eines der besten.

Und eine Frage noch: Wie finanziert sich eigentlich Dein Studium? Sprich doch mal mit Kommilitonen, die sich nur durch BaFÖG ihr Studium leisten können.
mrpink - 20. Sep, 13:49

Hey Postbote: Schön das du wieder unter den Schreibenden bist. Wollte hier nicht noch ein Fass aufmachen, da ich leider schon an anderer Stelle einen Krieg begonnen habe. Aber ich pflichte dir voll und ganz zu.

Turin - 20. Sep, 21:28

Immer mitten in die Fresse rein *DÄ hör* ^^ ;)

Schließe mich da mal an ... und mei Chrischi ... endlich die Chance zu beweisen, dass Deutsche auch einen Mehrfrontenkrieg gewinnen können ;) *hust* j/k

Postbote - 21. Sep, 13:53

Soldat bitte melde dich

Wo um Himmels Willen ist das Kriegsgebiet?
F-punkt-M - 21. Sep, 13:57

Wo das Kriegsgebiet ist?

7an - 22. Sep, 18:09

Sers Andi,

Ich bin keinesfalls gegen Sozialstaat als solchen. Ich glaube jedoch, dass bessere Bedingungen für die deutsche Wirtschaft und den Arbeitsmarkt wichtiger sind als hohe soziale Absicherungen. Ein soziales Grundnetz muss jedoch, da widerspreche ich nicht, gegeben sein. Bei der zahnmedizinischen Versorgung ist sogar schon zuviel gekürzt worden. Aber was nützt das größte soziale Netz, wenn alles andere – und damit auch die soziale Absicherungen – irgendwann den Bach runter geht, Stichwort staatliche Neuverschuldungen. Warum ich eine schwarz-gelbe Regierung (selbst, wenn sie mit den Grünen koalieren) bevorzuge, will ich an erklären.

Eine gute Ausbildung ist Geld wert

Zwei Punkte sind am Wichtigsten: Wirtschaft und Bildung. In Sachen Wirtschaft fehlte der rot-grünen-Regierung ein klarer Verstand. Um nur einen Punkt heraus zu greifen: Kündigungsschutz ist schön, aber was nützt der, wenn deshalb jemand erst gar keinen Job bekommt?

Zur Bildung: Es mag schizophren klingen, wenn ich mich für die Bildung ausspreche, aber Studiengebühren nicht ablehne. Ist es aber nicht. Mal ehrlich: Mir würde es auch nicht gefallen fürs Studium zu zahlen. Doch am Egoismus kann man diese Debatte nicht festmachen. Die deutschen Hochschulen brauchen Wettbewerb und davon viel. Es ist zwar schön, wenn jeder soviel und solange wie er will studieren kann, aber was nützt ein akademischer Grad, wenn er nichts mehr Wert ist, weil die Verhältnisse der universitären Ausbildung so schlecht sind?
Umso besser die Ausbildung, desto besser die beruflichen Chancen, und umso mehr Geld ist die Ausbildung wert.

Harter Übergang im Hochschulsystem

Gegenargument ist, dass sich die Hochschulausbildung nicht überall so schnell verbessern wird, wie die Gebühren steigen werden. Das ist leider dumm für die Studenten in der Übergangsphase, aber nicht zu ändern. Auch von unserem Rentensystem werden wir uns in dieser Form verabschieden können. Das ist für vor allem für unsere Generation blöd, aber trotzdem muss der Wechsel schrittweise erfolgen, bevor alles kollabiert.

Qualitätsabfall der Schulabschlüsse

Wichtiger als über die Gebühren zu schimpfen, ist es, darauf zu achten, dass möglichst viel Geld bei den Unis ankommt und nicht vom Staat verschlungen wird. Denn dieser sollte sich lieber um die schulische Ausbildung als um die universitäre kümmern, da auch diese massiv an Qualität verloren hat. Früher konnte man mit einem guten Hauptschulabschluss eine kaufmännische Lehre beginnen, braucht man oft Abitur.

mrpink - 23. Sep, 10:20

Edmund bist du`s? (-;

Na also das nenne ich mal ausführlich einen Standpunkt dargelegt. Ich ziehe den Hut.

Trotzdem muss ich sagen, dass du meiner Meinung nach ein bisschen blauäugig an die Sache herangehst. Ich meine über die Themen die du sprichst, kann man natürlich diskutieren, doch du verschweigst leider die weitreichenden Folgen, die eine Schwarz/Gelbe Regierung auch noch mit sich bringen würde.

Mich würde mal interessieren ob du die Meinung der CDU z.B. in Sachen Abtreibung oder vor allem AUßENPOLITIK auch so kompromisslos unterstützt?

Ich kann mich entsinnen das eine schwarze Regierung ohne zu zögern Soldaten in den Irak geschickt hätte. Und einen Treueschwur für den großen Bruder USA als sehr wichtig halten?

Klar ist es leicht darauf zu schimpfen, dass das Schulsystem beschissen ist (was es wirklich ist) oder es zu wenig Arbeit gibt, aber hast du auch die Gefahr einkalkuliert, mögklicherwiese bald Bilder von London und Madrid in Frankfurt, Berlin oder München zu sehen? Ich nicht. Und darüber sollte man meiner Meinung nach zumindest auch nachdenken, wenn man sich für einen Regierungswechsel stark macht.
7an - 23. Sep, 11:10

Du musst schon genauer werden! Meinst Du das CDU-Statement, dass z.B. die Pille danach weiterhin nur nach aerztlicher Beratung vergeben werden soll?

In Sachen Aussenpolitik hast Du zwar Recht, dass die CDU damals eher Pro-Bush war, doch ich bezweifle, dass die CDU - gerade nach den Terroranschlaegen - Soldaten zusammen mit den Amerikanern in einen Krieg in den nahen Osten schicken wuerde. Des weiteren ist einer schwarz-gelben Regierung lediglich wichtig, ein intaktes aussenpolitisches Verhaeltnis zu den USA zu besitzen. Hier ist nicht die Rede von blinder Gefolgschaft.

Es zeugt von einer Scheuklappenmentalitaet vom wichtigsten Thema abzulenken: der Wirtschaft. Es gibt einfach keine wirtschaftsfreundlicheren Parteien als die CDU und die FDP. Und selbst SDPler muessten einsehen, dass nur durch Staerkung der Wirtschaft kann auch das soziale Netz gestaerkt werden kann.
F-punkt-M - 23. Sep, 12:05

Entscheiden, was das wichtigste Thema ist...

..., sollte meiner Ansicht nach jeder für sich selbst. Daher kannst Du auch MrPinks Argumente nicht mit dem Hinweis vom Tisch fegen, dass eine Stärkung der Arbeitgeberposition wichtiger als alles andere ist - das ist sie nämlich meiner (und offensichtlich auch seiner) Meinung nach nicht.

Wobei ich Christian in einem weiteren Punkt zustimmen und gleichzeitig widersprechen muss:
Für mich war die Tatsache, dass die rot-grüne Regierung keine deutschen Soldaten in den Irak geschickt hat, enorm wichtig. Insbesondere hat mich beeindruckt, dass durch diese Entscheidung auch das "so wahnsinnig wichtige" gute Verhältnis zu den Vereinigten Staaten belastet wurde. Ohne Frage, ein gutes Verhältnis zu unseren Bündnispartnern ist wichtig, aber nicht um jeden Preis!

Allerdings finde ich nicht, dass man solche Entscheidungen aufgrund von Angst vor Terrorismus fällen sollte. In meinen Augen war das Vorgehen der USA damals mehr als fadenscheinig und kam faktisch einem Angriffskrieg gleich. Die im Nachhinein widerlegten Beteuerungen, der Irak verfüge über Massenvernichtungswaffen, haben die Sache nur noch verschlimmert. Wer weiß schon, wer als nächstes "über Massenvernichtungswaffen verfügt"...
7an - 23. Sep, 12:17

Klar. Ich bin auch gegen den Irakkrieg gewesen und bin es immer noch. Nur bedeutet das fuer mich nicht, dass man nicht CDU waehlen darf.

Trau Dich!

Du stehst draußen,

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