Von falschen Sonntagen, alten Freunden und Stimmen am Telefon
Sie sind einfach wunderbar. Diese Sonntage, die sich bald als Samstage entpuppen. Keine Sekunde bestehen noch Zweifel, dass die Erfindung von Zeit und Raum nur eine große Lüge ist. Die Sonne. Wenn ich es lyrisch ausdrücken wollte, würde ich sagen: sie küsste mich wach. Lieber sage ich: sie weckte mich. Aber eigentlich küsste sie.
Nach zeitlosem Räkeln, Dösen und Träumen wirkt der Gang aufs Sofa im benachbarten Wohnzimmer als würde man von einer Wolke auf die andere springen. Nein, nicht springen. Gleiten. Und der Fernseher gleitet auch an, der rosarote Panther will ein gemaltes Bild im Museum verkaufen. Wunderbar. Perfekt. Hoffentlich schafft er es. Die Sonne wirft in der Form des Fensterrahmens einen langen, warmen, goldenen, leuchtenden Strahl auf den Boden. Alles ist leicht. Es darf sich nur nicht der Fehler einschleichen, dass das Stern TV -Logo auf der Mattscheibe erscheint und viele deutsche Männer in ihrem Dubai-Leben Kokos-Cocktails trinken, Wüstenralley fahren, Polo spielen. Das könnte kontraproduktiv wirken. Das Esbjörn Svensson Trio und ihre zweitjüngste Platte viaticum hingegen nicht. Ich glaube sie haben an genau so einem Morgen mit Klavier, Gitarre und Drum Set auf meinem Sofa gesessen und einfach genau das, was sie sahen nicht mit Worten, sondern mit Tönen beschrieben. Irgendwann. Irgendwo. Wahrscheinlich war es nur eine Person. Sie konnte natürlich alle Instrumente gleichzeitig spielen.
Ich vermute, dass es eine Zeit gab, in der ich noch so einige Dinge zu erledigen hatte. Irgendwann. Irgendwo. Der Blick auf einen unaufgeräumten Schreibtisch verrät mir das. Irgendwann hat auch eine sehr vertraute Stimme angerufen und gesagt, dass der Mensch hinter der Stimme sein Studium abbrechen wird. Einfach so. Die Stimme hat keinen Bock mehr. Der Mensch dahinter geht für ein Hilfprojekt nach Indien. Hat er sich überlegt, mein alter Freund. Und dann will er vielleicht, nein eigentlich ganz sicher, eine Lehre machen. Irgendeine. Irgendwo. Irgendwann. Da hat er Bock drauf. Was sagt man dazu? Nicht viel. Vielleicht "viel Glück" oder "wow, krasse Entscheidung". Oder man fragt "Echt?" oder "Bist du dir sicher?". Natürlich ist er sich sicher, sonst würde er es nicht behaupten.
Was ich denke, sage ich erst einmal nicht. Ich schreibe es viel lieber auf: Der alte Freund imponiert mir noch mehr als das Esbjörn Svensson Dreigespann. Er kennt die drei ja auch nicht. Er hört lieber tibetische Alphörner und Eunuchenchoräle. Vielleicht summen die auch nur an solchen Morgenden. Aber das ist ja egal. Was nicht egal ist: Der alte Freund macht endlich mal das, was wir alle viel öfter machen sollte. Er ist trotzig. Je älter er wird, desto geringer sind seine Aussichten auf eine Lehrstelle. Je länger er studierte, desto mehr Barfög muss er zurückzahlen. Bricht er sein Studium jetzt ab, fehlen ihm noch zwei Klausuren bis zum Vordiplom, dann hätte er was in der Hand. Die Lücke im Lebenslauf zwischen Studium und indischem Hilfsprojekt lässt sich vermutlich nicht leicht schließen. Aber: Er hat keinen Bock. So einfach ist das. Wieso sollte er sich auch von uns daher gelaufenen Leistungsgeiern erzählen lassen, worauf er Bock zu haben hat?
Ich kann mir das gut vorstellen. Irgendwann hat mir eine andere, verärgerte Stimme am Telefon gesagt, dass sie etwas scheiße findet, was ich nicht gemacht habe. Und dass sie es viel lieber gesehen hätte, wenn ich etwas gemacht hätte. Die Entscheidung über das Etwas lag aber gar nicht in ihrem Aufgabenbereich. Deshalb fand ich das auch nicht gut. Aber trotzig war ich nicht. Ich habe es einfach nicht gemacht. Ich hatte keinen Bock.
Plötzlich erinnere mich an eine Pasta-Bar, eine dünne Frau mir gegenüber mit rotbloden Haaren und rotlackierten Fingernägeln und daran, wie ich diese Geschichte erzähle. Die Frau sagt: Das hast du richtig gemacht. Man muss sich selber treu bleiben. Man muss mit sich selbst ins Reine kommen. Man sollte sich von anderen nicht dirigieren lassen. Sie trinkt Rotwein. Als mein alter Freund mich anrief, habe ich keinen Rotwein getrunken. Ich sagte so etwas nicht.
An die Geschichte möchte ich aber nicht mehr denken, viel lieber an die Sonne. Oder an eine andere Stimme, die mir am Telefon sagte, sie habe herausgefunden, worum es hier in unserer Welt wirklich geht. Das ist natürlich eine feine Sache. Leider verrät sie mir das Geheimnis nicht, ich höre die Stimme ja auch zum ersten Mal. Aber sie verrät mir, dass jeder Mensch auf dieser Welt eine Lebensaufgabe hat. Er auch, und ich auch. Und du auch. Und so weiter.
Meine Lebensaufgabe ist wohl auf dem Sofa zu schweben und dem rosaroten Panther beim Rausschmiss aus dem Museum zuzusehen. Endlos.
Dann verstummen plötzlich die schwedische Gitarre, das Klavier. Der rosarote Panther wurde von einem Suppen-Werbespot vertrieben, die Tasse ist leer, der Magen knurrt, oh mein Gott, die Uhr zeigt schon den frühen Nachmittag an. Haben die Geschäfte noch auf? Ich muss noch auf die Bank. Wollte ich nicht noch was arbeiten? Mir fällt eine Diplomarbeit, ein halbfertiges Layout, der versprochene Großputz und der leere Kühlschrank ein. Stern TV-ist auch vorbei. Ich sollte nun wirklich mal in die Gänge kommen. Dann erinnere ich mich an meinen Freund und begreife etwas wichtiges: Heute Nachmittag werde ich spazieren gehen. Irgendwo. Irgendwann.
Nach zeitlosem Räkeln, Dösen und Träumen wirkt der Gang aufs Sofa im benachbarten Wohnzimmer als würde man von einer Wolke auf die andere springen. Nein, nicht springen. Gleiten. Und der Fernseher gleitet auch an, der rosarote Panther will ein gemaltes Bild im Museum verkaufen. Wunderbar. Perfekt. Hoffentlich schafft er es. Die Sonne wirft in der Form des Fensterrahmens einen langen, warmen, goldenen, leuchtenden Strahl auf den Boden. Alles ist leicht. Es darf sich nur nicht der Fehler einschleichen, dass das Stern TV -Logo auf der Mattscheibe erscheint und viele deutsche Männer in ihrem Dubai-Leben Kokos-Cocktails trinken, Wüstenralley fahren, Polo spielen. Das könnte kontraproduktiv wirken. Das Esbjörn Svensson Trio und ihre zweitjüngste Platte viaticum hingegen nicht. Ich glaube sie haben an genau so einem Morgen mit Klavier, Gitarre und Drum Set auf meinem Sofa gesessen und einfach genau das, was sie sahen nicht mit Worten, sondern mit Tönen beschrieben. Irgendwann. Irgendwo. Wahrscheinlich war es nur eine Person. Sie konnte natürlich alle Instrumente gleichzeitig spielen.
Ich vermute, dass es eine Zeit gab, in der ich noch so einige Dinge zu erledigen hatte. Irgendwann. Irgendwo. Der Blick auf einen unaufgeräumten Schreibtisch verrät mir das. Irgendwann hat auch eine sehr vertraute Stimme angerufen und gesagt, dass der Mensch hinter der Stimme sein Studium abbrechen wird. Einfach so. Die Stimme hat keinen Bock mehr. Der Mensch dahinter geht für ein Hilfprojekt nach Indien. Hat er sich überlegt, mein alter Freund. Und dann will er vielleicht, nein eigentlich ganz sicher, eine Lehre machen. Irgendeine. Irgendwo. Irgendwann. Da hat er Bock drauf. Was sagt man dazu? Nicht viel. Vielleicht "viel Glück" oder "wow, krasse Entscheidung". Oder man fragt "Echt?" oder "Bist du dir sicher?". Natürlich ist er sich sicher, sonst würde er es nicht behaupten.
Was ich denke, sage ich erst einmal nicht. Ich schreibe es viel lieber auf: Der alte Freund imponiert mir noch mehr als das Esbjörn Svensson Dreigespann. Er kennt die drei ja auch nicht. Er hört lieber tibetische Alphörner und Eunuchenchoräle. Vielleicht summen die auch nur an solchen Morgenden. Aber das ist ja egal. Was nicht egal ist: Der alte Freund macht endlich mal das, was wir alle viel öfter machen sollte. Er ist trotzig. Je älter er wird, desto geringer sind seine Aussichten auf eine Lehrstelle. Je länger er studierte, desto mehr Barfög muss er zurückzahlen. Bricht er sein Studium jetzt ab, fehlen ihm noch zwei Klausuren bis zum Vordiplom, dann hätte er was in der Hand. Die Lücke im Lebenslauf zwischen Studium und indischem Hilfsprojekt lässt sich vermutlich nicht leicht schließen. Aber: Er hat keinen Bock. So einfach ist das. Wieso sollte er sich auch von uns daher gelaufenen Leistungsgeiern erzählen lassen, worauf er Bock zu haben hat?
Ich kann mir das gut vorstellen. Irgendwann hat mir eine andere, verärgerte Stimme am Telefon gesagt, dass sie etwas scheiße findet, was ich nicht gemacht habe. Und dass sie es viel lieber gesehen hätte, wenn ich etwas gemacht hätte. Die Entscheidung über das Etwas lag aber gar nicht in ihrem Aufgabenbereich. Deshalb fand ich das auch nicht gut. Aber trotzig war ich nicht. Ich habe es einfach nicht gemacht. Ich hatte keinen Bock.
Plötzlich erinnere mich an eine Pasta-Bar, eine dünne Frau mir gegenüber mit rotbloden Haaren und rotlackierten Fingernägeln und daran, wie ich diese Geschichte erzähle. Die Frau sagt: Das hast du richtig gemacht. Man muss sich selber treu bleiben. Man muss mit sich selbst ins Reine kommen. Man sollte sich von anderen nicht dirigieren lassen. Sie trinkt Rotwein. Als mein alter Freund mich anrief, habe ich keinen Rotwein getrunken. Ich sagte so etwas nicht.
An die Geschichte möchte ich aber nicht mehr denken, viel lieber an die Sonne. Oder an eine andere Stimme, die mir am Telefon sagte, sie habe herausgefunden, worum es hier in unserer Welt wirklich geht. Das ist natürlich eine feine Sache. Leider verrät sie mir das Geheimnis nicht, ich höre die Stimme ja auch zum ersten Mal. Aber sie verrät mir, dass jeder Mensch auf dieser Welt eine Lebensaufgabe hat. Er auch, und ich auch. Und du auch. Und so weiter.
Meine Lebensaufgabe ist wohl auf dem Sofa zu schweben und dem rosaroten Panther beim Rausschmiss aus dem Museum zuzusehen. Endlos.
Dann verstummen plötzlich die schwedische Gitarre, das Klavier. Der rosarote Panther wurde von einem Suppen-Werbespot vertrieben, die Tasse ist leer, der Magen knurrt, oh mein Gott, die Uhr zeigt schon den frühen Nachmittag an. Haben die Geschäfte noch auf? Ich muss noch auf die Bank. Wollte ich nicht noch was arbeiten? Mir fällt eine Diplomarbeit, ein halbfertiges Layout, der versprochene Großputz und der leere Kühlschrank ein. Stern TV-ist auch vorbei. Ich sollte nun wirklich mal in die Gänge kommen. Dann erinnere ich mich an meinen Freund und begreife etwas wichtiges: Heute Nachmittag werde ich spazieren gehen. Irgendwo. Irgendwann.
Postbote - 17. Feb, 14:12