Chile y Argentina

Dienstag, 21. März 2006

Mal wieder im "Club"

Es ist schon erstaunlich, was man hier für Leute kennen lernen kann. Meine "Gastmama" hat mir heute Abend einen Gesprächspartner organisiert. Einen Deutschstämmigen mit Wurzeln in Österreich und Deutschland, der, wie ich, Journalismus studiert. Er heißt Felipe und beherrscht die deutsche Sprache perfekt.

Wir haben uns im "Club Deportivo Manquehue" getroffen - einem deutschen Club (irgendwie ist es ein bisschen "loco", als Deutscher in ein deutsches Etablissement eingeladen zu werden). Gesprächsthema war, wie kann es anders sein, der Journalismus. Ich erzählte ihm, was wir an Anforderungen für das Studium mitbringen müssen, siehe Praktikum etc. "Das gibt es in Chile nicht", klärte er mich auf. Dafür dauere das Studium fünf Jahre. Er studiere zudem an einer privaten Universität - und das koste nicht wenig.

Vorher habe er Kunst, Grafik und Sprachen studiert. Doch das sei brotlose Kunst, wie es sein Vater zu formulieren pflege. Sein Vater arbeitete in einer hohen Position beim chilenischen Fernsehen und ist hier ein angesehener Journalist. Vielleicht hat Felipe auch deshalb den Journalismus gewählt.

Jedenfalls ist Felipe ein interessanter Mensch. Er übersetzte bei der APEC-Konferenz 2004 (Asia-Pacific Economic Cooperation) für den amerikanischen Geheimdienst. Leider konnte, durfte er mir nicht mehr darüber erzählen - vielleicht wollte er es auch einfach nicht. Dabei war ich doch so hellhörig geworden. Jedenfalls waren wir uns in einer Sache einig: Wir beide sind nicht unbedingt Amerika-Fans.

Er wolle unbedingt noch Chinesisch und Japanisch lernen, verrät er mir. Vor mir sitzt ein Sprachtalent: Fließend Englisch, Deutsch, Französisch - und Spanisch als Muttersprache. Und jetzt sollen auch noch zwei asiatische Sprachen folgen. Da kann man schon ein bisschen neidisch werden. Mit diesen Voraussetzungen hat er später bestimmt keine Probleme einen Job zu finden.

Wir sitzen zusammen mit seinen ehemaligen Schulfreunden bei einem Pitcher im Club. Einer ist Jura-Student, einer studiert Agrarwissenschaft und einer hat studiert und ist jetzt arbeitslos. Willkommen in der Realität. In Deutschland ist das auch nicht anders...

Sonntag, 19. März 2006

Erizo: Eine rohe Delikatesse

Andere Länder, andere Sitten: Gestern waren wir im "Coco Loco" essen. Als Fingerfood gab es typisch chilenische Meeresfrüchte. Unter anderem kam ich auch in den Genuss, rohen "Erizo" zu kosten. Ich kann nur sagen: absolut nicht mein Fall. Erizo ist Seeigel. Man isst aus dem stacheligen Gehäuse lediglich den Rogen, das sind die Seeigeleier. Von der Konsistenz her ist er glitschig, schleimig und schmeckt penetrant nach salzigem Meerwasser. Das schlimmste ist aber die schwabbelige Masse. Unschön ist auch der Geschmack im Mund, der einem sechs Stunden erhalten bleibt.

Als Hauptgang gab es Krebs...

Donnerstag, 16. März 2006

Dienstmädchen!?

Ist es dekadent ein Dienstmädchen zu haben? Ich bin es zumindest nicht gewohnt. Tagtäglich - das Wochenende ausgenommen - wird man umsorgt: das Bett wird gemacht, das Haus geputzt, das Essen gereicht. Hier ist es nicht dekadent, es ist normal. Wer es sich leisten kann, der beschäftigt ein Dienstmädchen. Und nicht nur das: Einen Gärtner und eine Dame für für das Reinigen der Terrasse gleich auch noch.

Chile, habe ich manchmal den Eindruck, ist auf Minijobs aufgebaut. Im Supermarkt bringen leicht behinderte Menschen für ein kleines Trinkgeld den Einkaufswagen zum Auto. An den Kassen stehen (siehe Amerika) Jugendliche bereit, die das Eingekaufte in Tüten packen. An der Tankstelle braucht man erst gar nicht mehr auszusteigen. Dort wartet schon ein ganzes Team, das alle "unangenehmen" Aufgaben für einen erledigt. Wenn man nicht wüsste, dass diese Leute darauf angewiesen sind, könnte man die Inanspruchnahme dieser Dienstleistung für dekadent halten.

Als dekadent lässt sich in diesem Zusammenhang eigentlich nur der Umgang mit den Mini-Dienstleistern beschreiben. Für manche sind sie Unterschicht, für andere die gute Seele im Haushalt. Die Nuancen im Verhalten ihnen gegenüber machen den kleinen aber feinen Unterschied aus. Das spiegelt sich auch in der Bezahlung wieder: Auftraggeber, die es gut mit ihren Dienstleistern meinen, zahlen im Schnitt 200 000 Pesos pro Monat. Das sind umgerechnet etwa 315 Euro. Andere wiederum zahlen weitaus weniger - schlechte Behandlung inklusive.

Und dennoch sind diese Jobs nötig. Immerhin sichern sie vielen ihren Lebensunterhalt. Und von diesen kleinen, monatlichen Löhnen müssen diese Menschen dann auch ein ganzes Leben finanzieren. In Chile gibt es keine staatliche Altersvorsorge, keine gesetzliche Krankenversicherung - durch und durch amerikanischer Standard, was die nicht vorhandenen Leistungen für die Bürger angeht. Wer sich nicht selbst über Wasser halten kann, ist verloren. Da braucht es eigentlich niemanden, der diese schwerarbeitenden Menschen noch zusätzlich von oben herab behandelt. Im Gegenteil: Wer gutes Personal will, behandelt dieses respektvoll. Ein Glas Wasser kann sich jeder noch alleine holen...

Dienstag, 14. März 2006

Die Marke "deutsch"

Heute hatte ich endlich Zeit, um in der Stadt ein paar Fotos zu machen. Das war ziemlich anstrengend bei der Hitze. Mit dem Bus fuhr ich von Vitacura aus bis zur "Escuela Militar", von dort ging es mit der Metro weiter. Busfahren ist hier ein richtiges Abenteuer - dafür ist es billig: Pauschalpreis, egal welche Strecke, etwas über 50 Cent. Für diesen Preis bekommt man dann auch rabiate Fahrweise und klapprige Gefährte. Mir macht es trotzdem Spaß. Mit der Metro ging es dann weiter in die Stadt, bis zu "La Moneda". Von dort aus bin ich zu Fuß weiter.


Auf dem "Placa de Armas"

Santiago ist eine Stadt der Gegensätze: Zwischen alten Gebäuden stehen neue, hochmoderne Tower. Zwischen Business und Geld befindet sich Armut und Elend. Bei einem zweistündigen Marsch bekommt man das alles zu sehen. Santiago ist sicherlich untypisch für Südamerika, denn es ist irgendwie gar nicht südamerikanisch. Es wirkt auf den unbedarften Betrachter eher europäisch. Man sieht hier kaum indigene Gesichter. Viele sind blond, relativ groß und eben europäisch. "Chilenen sind die Preußen Südamerikas", heißt es gerne. Da ist was dran.


Die Stadt der Gegensätze

Selbst Buenos Aires, obwohl größer und "näher" an Europa, ist südamerikanischer. "Die Chilenen sind so, weil sie auf einer Insel leben", erzählt mir jemand. Ist eigentlich gar nicht so falsch: Ein schmaler Streifen umgeben von Bergen und Wasser - eine Insel halt. Das macht sie gegenüber Neuem etwas skeptisch. Sie üben sich in Zurückhaltung. Wenn das keine preußische Tugend ist?

Chilenen haben und halten viel von Deutschland. Deutsch, das ist hier eine Marke: Deutsche Schulen, deutsche Clubs und deutsche Waren. Selbst ein bisschen deutsch zu sein, das ist hier schick. Man hat es als Deutscher also nicht schwer. Alles ist ein bisschen deutsch: Die Polizei, das Militär, die Menschen. Es gibt hier mehr Chilenen, die besser Deutsch sprechen als ich Spanisch. Auch ein Erfolg der zahlreichen deutschen Schulen, die sich allerdings nur gutsituierte leisten können. Das Bildungssystem ist ähnlich dem in den USA: "Ohne Moos nix los."


Die "Escuela Militar"

Die gutsituierten besuchen elitäre Clubs. In einem war ich auch drin, dem "Club Deportivo Manquehue". Ein Sportclub. Hier gibt es neben Eisbein und Sauerkraut auch eine gute, altdeutsche Bierstube. Wer es sich leisten kann, der kommt hierher um Tennis, Bridge und Hockey zu spielen - oder einfach nur, um gut zu essen. Das Logo des Clubs erinnert unweigerlich an Preußen: dezentes schwarz-weiß-rot mit Adler.


Das Logo des "Club Deportivo Manquehue

Montag, 13. März 2006

Ein Platz an der Sonne...

... wo arbeiten Spaß macht! Wie gerne würde ich hier bleiben.

Sonntag, 12. März 2006

Koks für Rice

Nachtrag zum historischen Wechsel: Der bolivianische Präsident, Evo Morales, ließ es sich tatsächlich nicht nehmen und schenkte Condoleezza Rice eine mit Koka-Blättern verzierte Gitarre. Ein stiller Protest? Immerhin war Morales schon seit jeher für die Legalisierung dieser Pflanze und führte vor seiner Präsidentschaft sogar die Koka-Bauern an. Die USA wehrt sich bis heute vehement gegen seine Forderung. Vielleicht wollte er Rice einfach mal eins auswischen - von wegen Einfuhr- und Zollproblemen... (Ich für meinen Teil habe mich über diese Aktion köstlich amüsiert;-)

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Samstag, 11. März 2006

Ein historischer Wechsel

Santiago im Ausnahmezustand: Rund um "La Moneda" höchste Sicherheitsvorkehrungen. Hubschrauber starten und landen. Schwer bewaffnete Polizisten und Soldaten patrouillieren rund um das Gebäude. Weiträumig ist alles abgesperrt. In den Seitenstraßen stehen Wasserwerfer und gepanzerte Einsatzfahrzeuge der Polizei für den Ernstfall bereit.


Der Alte und die Neue


In diesem Getümmel, vor dem "Ministerio de Relaciones Exteriores", ein Wink mit dem Zaunpfahl: "Schau mal, der Typ, der da vor uns läuft, das ist der Finanzminister!" Tatsächlich. Ganz ohne Personenschutz, nur in Begleitung einer Frau, läuft der Minister gemächlich vor uns her. Nicolás Eyzaguirre braucht auch vielleicht keinen Personenschutz mehr. Er ist nämlich nur noch 24 Stunden im Amt. Mit der neuen Präsidentin, Michelle Bachelet, und ihrer neuen Regierung, ist sein Posten nun passé. Vielleicht hat er deshalb in einem Interview in "Siete" noch einmal so richtig Dampf abgelassen. Dort meinte er, nicht ganz wortwörtlich, dass die Verteilung des Geldes zwischen Arm und Reich in Chile äußerst einseitig sei, natürlich zu Gunsten der Reichen. Doch die Reichen, die Elite von Chile, würden alles dafür tun, um diesen Status beizubehalten. Er habe als Finanzminister nur punktuell und im Kleinen dagegen angehen können - mit mäßigem, fast keinem Erfolg. Frustration pur.


Noch-Finanzminister Nicolás Eyzaguirre in "Siete"

Während Eyzaguirre in einem der Regierungsgebäude verschwindet, ist die neue Präsidentin damit beschäftigt, ihren hohen Besuch zu empfangen. In der Presse werden vor allem drei Gäste hervorgehoben: Die Vizepräsidentin des Iran, Fatene Vaez Javady, Prinz Felipe von Spanien und der Präsident von Bolivien, Evo Morales. Morales ist auf diesem Parkett eine der interessantesten Figuren. Der traditionelle, indigene und mitunter auch sehr sympathische Präsident ist als Amerika-Kritiker bekannt. Ein Zusammentreffen zwischen ihm und Condoleezza Rice, sollte es denn zustande kommen, dürfte interessant werden. Für ihn nahm sich Bachelet 20 Minuten Zeit, im Protokoll waren lediglich zehn pro Besucher vorgesehen.


Morales (r) schenkt Bachelet (l) eine bolivianische "Charango"

Momentan zelebriert die chilenische Regierung im "Congreso Nacional" den Führungswechsel. Die neue Regierung, das "gabinet ministerial", legt den Amtseid ab. Für den Abend ist auf dem Platz vor "La Moneda" eine große Gala geplant. Geplant ist wohl auch eine Kundgebung von Amerika-Gegnern, bei der, so heißt es, eventuell auch Morales sein Wort erheben wird. Man darf sicherlich gespannt sein, wie dieser Tag noch ausklingen wird.

Unsere "letzte" Kolonie

"Traditionelle Speisen aus Deutschland" steht über dem Schaufenster an einem kleinen Eckladen im Einkaufszentrum "Pueblo Ingles" in Vitacura. Es ist ein unscheinbarer Laden. Die Verkäuferin ist leicht mollig, wirkt europäisch und versteckt sich hinter der Theke. "Wir dürfen nicht so laut deutsch sprechen", sagt Ana. Die Verkäuferin spreche und verstehe selbst nur deutsch. Sie ist ein Übrigbleibsel der "Colonia Dignidad" (Kolonie der Würde) - eine "unserer letzten Kolonien".

Die "Colonia Dignidad" wurde von Paul Schäfer ins Leben gerufen. Er gründete erst in Deutschland unter dem Namen "Private Sociale Mission" ein Erziehungsheim in Siegburg, in dem Kinder untergebracht waren. Schnell stellte sich heraus, dass es sich bei diesem illustren Verein um eine Sekte handelte und Schäfer weniger um das Wohl der Kinder besorgt war, als viel mehr um die Befriedigung seiner eigenen Triebe. Da dies den deutschen Behörden nicht lange verborgen blieb, musste Schäfer 1961 aufgrund von staatsanwaltlichen Ermittlungen nach Chile fliehen. Im Süden von Chile bekam er mit Unterstützung Offizieller ein Areal von der Größe des Saarlands zugesprochen. Das war der Anfang der "Colonia Dignidad" - und damit auch der Anfang der Leiden vieler unschuldiger Menschen.

Es sollte eine Kolonie nach dem Führerprinzip sein. In ihrer Abscheulichkeit und Perversion stand diese dem Dritten Reich auch in nichts nach - zumindest was die Abgründe angeht. Es gab eine strikte Geschlechtertrennung, keine Informationen von außen und Gehirnwäschen unterstützt durch Medikamente. Schäfer besorgte sich durch getäuschte Zwangsadoptionen immer wieder kindliches Frischfleisch zum Ausleben seiner pädophil-homosexuellen Neigung. Unterstützt durch chilenische Regierungsorgane und deutsche Alt-Nazis baute er sich ein funktionierendes Netzwerk auf, das ihm auch für illegale Waffengeschäfte dienlich war.

Maxime der Kolonie war die Ausrottung des Kommunismus. Nach dem Militärputsch 1979 unter Pinochet gegen Allende, bekam die "Colonia Dignidad" eine weitaus größere Rolle zugeschrieben: Das komplette Gelände wurde zu militärischem Sperrgebiet erklärt und alle, die dort lebten - oder leben mussten - zu Mitarbeitern des damaligen chilenischen Geheimdiensts DINA gemacht. Pinochet nutzte fortan die Kolonie, um dort seine unlieben Regimegegner foltern und beseitigen zu lassen. Gleichzeitig diente das "Lager" Pinochets Soldaten und Agenten als Ausbildungsstätte in Verhörmethoden.

Nur wenigen, die unfreiwillig dort festsaßen, missbraucht und gedemütigt wurden, gelang die Flucht. Auch die Bundesregierung hielt sich lange Zeit zurück, obwohl die Vorgänge dort bekannt waren. Schäfer rühmte sich bester Kontakte in Politikerkreisen, Franz-Josef Strauss ist nur eines der Beispiele. Während Pinochet war die "Colonia Dignidad" unantastbar. Sie wurde sogar zu einer richtigen Militärbasis ausgebaut: Unterirdische Bunkeranlagen, Stacheldraht und Kommandoanlagen gab es. Und die unterdrückten, nicht gebildeten und ständig missbrauchten, teilweise unfreiwilligen Bewohner gab es auch noch. Einer von diesen konnte fliehen. Er heißt Efrain Vedder (35) und verarbeitete seine Erlebnisse in einem Buch: "Weg vom Leben". Hier der Klappentext: Nach außen scheint die deutsche Sekte Colonia Dignidad in Chile ein Musterbetrieb zu sein. Hier leben und arbeiten mehr als 250 Deutsche unter der Leitung von Sektenchef Paul Schäfer. Ein Blick über die Mauern mit Stacheldraht offenbart jedoch ein Arbeitslager, in dem die Bewohner Tag und Nacht arbeiten müssen und durch seelischen und körperlichen Terror in Abhängig keit gehalten werden.
Schäfer, der wegen Pädophilievorwürfen seit über 40 Jahren von Interpol gesucht wird und seit 1997 untergetaucht ist, hat durch seine Kontakte zum chilenischen Regierungsapparat bis zum heutigen Tag alle Anklagen unbeschadet überstanden:
Folterungen politischer Gefangener, ungeklärte Todesfälle auf dem Sektengelände und engste Verflechtungen zu (Ex-)Diktator Augusto Pinochet.
Unter den Augen seiner politischen Freunde und der Sektenbewohner mißbraucht er minderjährige männliche Bewohner seiner Sekte. Einer dieser Jungen ist der Chilene Efrain Vedder, der als Baby seinen Eltern weggenommen und in der Kolonie zwangsadoptiert wurde. Er wurde von Schäfer über viele Jahre vergewaltigt und unter Drogen gesetzt. Obwohl auch Vedder im bigotten Zeitgeist der 1950er Jahre und in religiöser Abhängigkeit erzogen wurde, schaffte er es, nach 35 gestohlenen Lebensjahren die Sekte aus eigener Kraft zu verlassen und sich ein neues, eigenes Leben aufzubauen.


Mittlerweile wurde Schäfer gefasst. Das Verfahren gegen ihn in Chile wurde jedoch eingestellt. Die Verhaftung und Anklage Schäfers hatte dennoch zu Veränderungen geführt: Das ursprüngliche, an ein KZ erinnernde Regime - Geschlechtertrennung, Briefzensur, Ausgehverbot und Züchtigung durch Schläge und Psychopharmaka - ist einem liberaleren Lebensstil gewichen: Eine von Schäfers ehemaligem Sicherheitschef Erwin Fege angeführte Gruppe von 20 Familien ist ausgezogen und siedelt fernab von Dignidad in der Nähe des Vulkans Osorno. Die Zurückgebliebenen erfreuen sich neuer Freiheiten. "In den letzten zwei Jahren gab es 20 Eheschließungen", berichtet Juvenal Pereira, der katholische Pfarrer von Parral, dem Nachbarstädtchen der Colonia Dignidad. Ein halbes Dutzend Jugendliche der Sekte, die früher keinen Fuß jenseits des mit Stacheldraht gesicherten Geländes setzen durften, gehen jetzt in Parral und in der Stadt Concepcion zur Schule oder erlernen einen Beruf außerhalb des Sektengeländes.(Kölner Stadtanzeiger vom 6. Mai 2002).

Viele sind sich nicht sicher: Ist das Übel wirklich ausgemerzt? Existiert die ursprüngliche "Colonia Dignidad" vielleicht doch noch? Auch über den Laden im Pueblo Ingles ist man sich nicht einig: Viele meinen, die "Kolonisten" hätten da noch ihre Finger und finanzielle Unterstützung im Spiel. Manch einer mag aber auch schon glauben, dass die einsame Frau in ihrem Laden einfach den Versuch unternimmt, ein normales Leben zu führen.

Freitag, 10. März 2006

Frauen an die Macht

Ist auch Motto in Chile: Diesen Samstag ist die offizielle Amtseinführung der neuen Präsidentin Michelle Bachelete. Sie löst damit Ricardo Lagos ab. Bachelete ist in Chile die erste Frau, die auf das höchste Staatsamt gewählt wurde. Am Samstag sollen auch Condoleezza Rice und Prinz Felipe von Spanien zu den Gästen zählen. Bereits im Vorfeld sorgte die Teilnahme der Amerikanerin Rice für Aufruhr: Im Zentrum Santiagos zündeten Unbekannte eine amerikanische Flagge an.


La Moneda: Hier steigt am Samstag die Staatschefs-Sause

Interessanterweise war die Forderung, eine Frau an die Spitze zu wählen, in Chile schon älter als in Deutschland. Die Parteien der "Concertación" (Regierungskoalition), bestehend aus DC, PS, PPD und PRSD erkannten die Wichtigkeit der Stimmen der Wählerinnen. Allerdings erst nachdem ihnen der Präsidentschaftskandidat der UDI ("Oposición"), Joaquin Lavin, vorgemacht hatte, wie er mit "fuerte" fast 60 Prozent seiner erlangten Stimmen den Frauen zuschreiben konnte.

Unsere Frau Merkel war somit zwar früher im Amt, in Chile dauerte die ganze Sache jedoch an. Da es sich die Regierungspartei DC anfangs noch vorbehielt, eine eigene Kandidatin aufzustellen, musste die Entscheidung über eine gemeinsame Kandidatin erst in der "Concertación" gefällt werden. Soledad Alvear bestand jedoch nicht gegen Bachelete und zog ihre Kandidatur zurück. Bachelete gewann im Endeffekt die Wahlen. Mit Versprechungen, es würden nach ihrer Wahl in sämtlichen Staats- und Regierungsämtern zu gleichen Teilen Männer und Frauen beschäftigt, zog sie manche Unentschlossene auf ihre Seite. "Bis heute hat sie das auch durchgezogen", sagt Heinz Gröpper, dessen Unternehmen auf der Präsidialebene auch von diesen Veränderungen betroffen ist.

"Sie ist ein unbeschriebenes Blatt", sagt der 26-jährige Jan, Student in Santiago. Ihre Kampagne sei völlig nichtssagend gewesen: "Sie sagte nicht, was sie machen will, sondern nur, dass sie alles analysieren wird." Über ihre Rolle im Regierungsgefüge ist man sich nicht einig. Sie hat zwar, im Gegensatz zu Deutschland, mehr Macht in ihrem Amt, "vielleicht ist sie aber auch eine Marionette, vielleicht aber auch stark - wir wissen es nicht", so Jan.

Nach einem starken Präsidenten Ricardo Lagos, der seine Stärke vielleicht auch ein bisschen der vor einigen Jahren überwundenen Rezession verdankt, nach der es eigentlich nur besser werden konnte, ist nun erstmals eine Frau an der Macht. Und das in einem "chauvinistischen Land", sagt Jan.

Mittwoch, 8. März 2006

Bienvenido bei Brückenpolizei und Bürokratie

Bienvenido a Santiago de Chile. Das war zwar nicht die originale Durchsage des Kapitäns, erlösend war diese Nachricht trotzdem. Ich hatte fast schon wieder vergessen, wie anstrengend Fliegen sein kann. Mit Air France ging es von Frankfurt aus nach Paris, von dort Nonstop nach Santiago. Geschlagene 17 Stunden Brutto-Reisezeit.

Ich bin kein Freund von Mittelplätzen: Mein linker Nachbar krank, der rechte etwas zu beleibt. Da blieb mir eigentlich nur noch der stiere Blick auf den Bildschirm vor meinem Sitz - und der fast verzweifelte Kampf um wenigstens eine Armlehne. Ich freue mich schon auf die Zeiten, in denen wir als gut verdienende Journalisten nur noch Business Class fliegen "müssen";-)

In Santiago erwartete mich dann erstmal ein Temperatur-Schock. Ich, noch nach aktuellen deutschen "Frühjahrsmoden" gekleidet, musste mich an 30° Celsius gewöhnen. Ganz nebenbei ging diese Gewöhnungsphase schnell vorüber: Kaum eine Stunde später sitze ich am Pool, genieße die Sonne und schreibe ein paar Zeilen.

Mein erster Eindruck von Santiago: Mehr Bürokratie als in Deutschland. Das sagt auch Ana, bei der ich unterkomme: "Die Chilenen sind hier deutscher als manche Deutsche selbst". Warum wir darauf kamen? Eigentlich eine ganz banale Sache: Parkticket im Voraus bezahlt und an der falschen Ausfahrtsschranke angestellt, nämlich der für nicht bezahlte Tickets. Anstatt uns schnell durchzulassen, musste die ganze Schlange hinter uns ein Stück zurückweichen, damit wir zurücksetzen und uns in der richtigen Schlange einreihen konnten.


Am Fuße des Manquehue - mein Domizil

Mein zweiter Eindruck: Überall Polizei - vor allem auf den Brücken. Der Grund: In letzter Zeit würden "Delinquenten" wohl ziemlich oft Steine von den Brücken auf fahrende Autos schmeißen, erzählte Ana. Das gab es doch in Deutschland auch, wenn ich mich recht erinnere. Hier jedenfalls wird deshalb auf jede Brücke ein Polizist gestellt. Da fühlt man sich gleich viel sicherer;-) In Deutschland wäre das bestimmt eine tolle ABM für Langzeitarbeitslose...

Mehr Eindrücke habe ich in meinen mittlerweile drei Stunden hier leider noch nicht zu bieten. Halt, doch: Die Anden sehen von oben einfach berauschend aus...

Trau Dich!

Du stehst draußen,

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